8 B. Der Wegs der Reichsgesetrgebung. 179
folgt frühestens am zweiten Tage nach dem Schlusse der ersten Berathung und,
wenn eine Kommissfion eingesetzt ist, frühestens am zweiten Tage, nachdem die
Kommissions-Anträge gedruckt in die Hände der Mitglieder gekommen find. Ueber
jeden einzelnen Artikel wird der Reihenfolge nach die Diskussion eröffnet und ge-
schlossen und die Abstimmung herbeigeführt. Auf Beschluß des Reichstages kann
die Reihenfolge verlassen, in gleicher Weise die Diskussion Über mehrere Artikel
verbunden oder über verschiedene zu demselben Artikel gestellte Abänderungs-Vor-
schläge getrennt werden. Abänderungs-Vorschläge zu einzelnen Artikeln können in
der Zwischenzeit und im Laufe der Verhandlung eingebracht werden. Sie bedürfen
keiner Unterstützung. Nach dem Schlusse der zweiten Berathung stellt der Präfident
mit Zuziehung der Schriftführer die gefaßten Beschlüsse zusammen, falls durch
dieselben Abänderungen der Vorlage stattgefunden haben. Diese Zusammenstellung
bildet die Grundlage der dritten Berathung. Wenn keine Abänderungen in zweiter
Berathung beschlossen worden, dient die unveränderte Vorlage als Grundlage der
dritten Berathung. Wird der Entwurf in allen seinen Theilen abgelehnt, so
findet eine weitere Berathung nicht statt.“ § 20: „Die dritte Berathung erfolgt
frühestens am zweiten Tage nach dem Abschlusse der zweiten Berathung, beziehungs-
weise nach der Vertheilung der Zusammenstellung (§ 19). Abänderungs-Vorschläge
zu einzelnen Artikeln können in der Zwischenzeit und im Laufe der Verhandlung
eingebracht werden. Sie bedürfen der Unterstützung von 30 Mitgliedern. Die
Diskussion erfolgt zunächst über die Grundzüge des Entwurfs nach Maßgabe des
# 18, und hieran schließt sich unmittelbar die Diskussion über die einzelnen
Artikel nach Maßgabe des § 19. Am Schlusse der Berathung wird über die
Annahme oder Ablehnung des Gesetz-Entwurfs abgestimmt. Sind Verbesserungs-
Anträge angenommen worden, so wird die Schlußabstimmung ausgesetzt, bis das
Bureau die Beschlüsse zusammengestellt hat.“ 8§. 21: „Eine Abkürzung der in
§ 19 bestimmten Frist, insbesondere auch die Vornahme der ersten und zweiten
Berathung in derselben Sitzung, kann bei Feststellung der Tagesordnung oder
überhaupt an einem früheren Tage, als an dem der Berathung, mit Stimmen-
mehrheit, eine Abkürzung der übrigen Fristen (§§ 18 und 20) nur dann beschlossen
werden, wenn ihr nicht 15 anwesende Mitglieder widersprechen. Der Reichstag kann
wie am Schlusse der ersten (§ 18), so in jedem Stadium einer folgenden Be-
rathung bis zum Beginne der Fragestellung den Gesetz-Entwurf oder einen Theil
desselben zur Berichterstattung an eine Kommission verweisen, welche sich nur mit
dem ihr überwiesenen Gegenstande zu beschäftigen hat.“
Alle diese Vorschriften haben eine interne Bedeutung. Rechtlich genügt es,
daß die absolute Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Reichstagsmitglieder, d. h.
mindestens 199, dem Gesetzentwurfe zugestimmt haben. Ob dies der Fall, dürfen
und müssen der Kaiser wie Bundesrath prüfen, da fie nicht verpflichtet, noch be-
rechtigt find, Beschlüsse, welche der Verfassung (Art. 28) zuwiderlaufen, als ver-
fassungsmäßige Beschlüsse zu behandeln. Von der Befolgung der Vorschrift in
Art. 28 der Reichsverfassung kann weder eine Geschäftsordnung, welche sich der
Reichstag selbst giebt, noch eine etwa vorhandene Observanz entbinden .
Sowohl der Bundesrath wie der Reichstag haben die Beschlüsse über Gesetzes-
vorlagen dem Reichskanzler zuzufertigen. Der Bundesrath kann seine Vorlagen
nicht unmittelbar dem Reichstage machen. Diese werden vielmehr nach dem Wort-
laute des Art. 16 „im Namen des Kaisers“ an den Reichstag gebracht. Sie find
aber Vorlagen der verbündeten Regierungen. Bundesrathsbeschlüsse, welche ver-
faffungsmäßig gefaßt sind, muß der Kaiser durch den Reichskanzler so, wie fie
gefaßt find, dem Reichstage vorlegen. Für den materiellen Inhalt ist der Reichs-
kanzler nicht verantwortlich, vielmehr nur dafür, daß die Vorlagen so, wie fie
gefaßt fsind, dem Reichstage gemacht werden. Der Reichskanzler ist daher auch
nicht berechtigt, die Vorlage an den Bundesrath zu unterlassen, weil er fie
1 Siehe oben S. 150.
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