204 Viertes Buch. Die Gesetzzebnng des Deutschen Reiches.
noch nach Reichsrecht, daß die Befugniß zu deren Erlaß von dem Berechtigten
nicht weiter übertragen werden kann und daß die Befugniß zu deren Erlasse den
dazu beauftragten Behörden nicht ohne gesetzliche Ermächtigung von einer höheren
Stelle entrissen werden darf!. Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß es
fic dabei um die Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse und Bedürfnisse handelt,
eren Kenntniß und Berücksichtigung von ganz bestimmten Behörden erwartet wird.
So wollte man z. B. die Strom= und Hafenpolizei in Preußen nicht den Local-
behörden anvertrauen, und deshalb dürfen die Ober= und Regierungspräfidenten,
denen diese anvertraut find, nicht die Kreis= oder Localbehörden mit dem Erlasse
von Polizeiverordnungen auf dem Gebiete der Strom-= und Hafenpolizei beauf-
tragen. Dagegen sollen die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs von den
Local= oder Kreisbehörden (auf den Kreisstraßen) geschützt werden, weshalb Polizei-
verordnungen der höheren Instanzen, die sich auf die Straßenpolizei in einem
Kreis= oder Ortsbezirk beziehen, unstatthaft und ungesetzlich find. Deshalb kann
auch nicht der Reichskanzler an Stelle eines Konsuls oder Kanzlers (Richters) in
einem Schutzgebiete Polizeiverordnungen mit Gültigkeit erlassen, noch können diese
die Befugniß zu deren Erlaß rechtswirksam einem Anderen, z. B. einem Orts-
vorsteher, übertragen. Auch in anderen Fällen ist es klar, daß nach dem Willen
des Gesetzgebers der mit dem Erlasse einer Verordnung Beauftragte oder zu deren
Erlasse Berechtigte nicht einen Anderen mit diesem Erlasse beauftragen darf. Wenn
§ 21 des preußischen Ausführungsgesetzes zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz
vom 24. April 1878 (Ges.-S. 1878, S. 230) den Erlaß einer Vollzugs-
verordnung gerade durch den König fordert, so ist eine Delegation der Verordnungs-
befugniß an einen Minister als unstatthaft anzusehen. In sehr häufigen Fällen
will aber der Gesetzgeber, bezw. die Verfassung durch Uebertragung des Verordnungs-
rechts an den Kaiser nur zum Ausdruck bringen, daß nicht der Bundesrath, noch
die Landesregierungen die Verordnung erlassen sollen, oder daß der Gegenstand
nicht durch Gesetz, sondern im Verordnungswege geregelt werden soll. Alsdann
muß angenommen werden, daß es zulässig ist, wenn nicht der Bevollmächtigte
selbst, sondern eines seiner Organe die Verordnung erläßt. Dies entspricht dem
allgemeinen staatsrechtlichen Brauche und der Natur der Sache. So kann nach
belgischem Rechte der König „à son tour déléguer son pouvoir réglementaire à
des agents qui lui sant subordonnés“ 2. Das Gleiche gilt vom Präfidenten der
französischen Republik: „— Les ministres ont le pouvoir réglementaire — lors-
qu’ils y sont autorisés par une disposition de la loi on un reglement 4c’ad-
ministration publique" S. NRicht minder feststehend ist nach öster-
reichis chem Staatsrecht, daß — abgesehen von den sog. Nothverordnungen —
die Staatsbehörden legitimirt erscheinen, das dem Monarchen allgemein zustehende
Verordnungsrecht innerhalb der ihnen verfassungsmäßig zustehenden Befugnisse im
Namen des Monarchen auszuüben“. Nicht minder ist es in Preußen hergebrachts,
daß die zu den Gesetzen erforderlichen Ausführungsverordnungen anstatt durch den
König von den Ministern und zwar von dem jedesmaligen Ressortminister ergehen.
Selbst das Recht des Königs zur Begnadigung ist in Preußen delegirbar und
wird auf Grund von Delegation bei Steuervergehen durch die Finanzbehörden aus-
geübt. Deshalb muß auch für das Reichsrecht die Subdelegation des Verordnungs-
rechts als zulässig gelten, wenn nicht aus dem Gesetz erhellt, daß der Gesetzgeber
die Verordnungsbefugniß nur und gerade dem dazu Beauftragten zugestehen wollte.
So erscheinen gerechtfertigt der Präsidial-Erlaß vom 18. Dezember 1867 (B.-G.-Bl.
1867, S. 328) und die in Gemäßheit defselben erlassenen Telegraphenordnungen
vom 21. Juni 1872 (Centralbl. für das Deutsche Reich 1872, S. 213), vom
1 Vgl. Arndt, Verordnungsrecht, S. 180, tion française s. m. ministere, ur. 21.
Rosin, Polizeiverordnungsrecht. 2. Aufl., S. 214|UJoseph Ulbrich, Lehrbuch des öfter-
Erkenntniß des Oberverwaltungsgerichts vom reichischen Staatsrechts, Berlin 1888, S. 394.
25. April 1883. 5 Cabinets-Ordre vom 27. October 1810
2 A. Giron, Le droit administratif de 1]G.-S. 1810, S. 3), vom 3. November 1817
Beli ue, ur. 79. (G.-S. 1817, S. 289) und vom 4. Juli 1832
lock, Dictionnaire de I’administra-(G.-S. 1832, S. 181).