Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

85. Von 1848 bis 1850. 17 
am 29. März einen „Revisions-A#sschuß". Die „Siebzehner“ übergaben am 
27. April, ohne den Revisions-Ausschuß zugezogen zu haben, den „Entwurf des 
deutschen Reichsgrundgesetzes“, welchen ein durch Dahlmann verfertigtes Vorwort 
begleitete, der Bundesversammlung. In diesem Entwurf ist u. A. bestimmt, Art. 1: 
„Die Selbstständigkeit der einzelnen deutschen Staaten wird nicht aufgehoben, aber, 
soweit es die Einheit Deutschlands fordert, beschränkt.“ Art. 2: „Der Reichsgewalt 
steht fortan ausschließlich zu a. die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands, b. das 
Recht auf Krieg und Frieden, c. das Heerwesen, d. das Festungswesen, e. Flotte 
und Kriegshäfen, k. das Zollwesen, so daß das ganze Reich ein Zollgebiet bildet, 
g. Postwesen, h. Gesetzgebung und Oberauffsicht über die Wasserstraßen, Eisenbahnen 
und Telegraphen, i. Ertheilung von Erfindungspatenten, die sich auf das ganze 
Reich erstrecken, k. die Gesetzgebung im Gebiete des öffentlichen und Privatrechts, 
insoweit eine solche zur Durchbildung der Einheit Deutschlands erforderlich ist, 
wohin insbesondere ein Gesetz über ein deutsches Heimathsrecht und Staatsbürger- 
recht, sowie ein Gesetz über ein für ganz Deutschland gleiches Münz-, Maaß= und 
Gewichtssystem gehören, 1. die Gerichtsbarkeit in dem unter § 24 bezeichneten Um- 
fange, die Verfügung über sämmtliche Zoll= und Posteinkünfte und, sofern diese 
und sonstige Reichseinnahmen (Taxen, Concessionsgelder) nicht ausreichen, die Be- 
legung der einzelnen Staaten mit Reichssteuern.“ 
8§ 7. „Der Kaiser hat die vollziehende Gewalt in allen Angelegenheiten des 
Reiches, ernennt die Reichsbeamten und die Officiere des stehenden Heeres und der 
Marine, sowie die Stabsofficiere der Landwehr, desgleichen verfügt er über die 
Vertheilung des stehenden Heeres.“ 
8. „Dem Kaiser steht die außerordentliche Berufung, die Vertagung, 
Schließung und Auflösung des Reichstages zu. Die Beschlüsse des Reichstages er- 
halten durch seine Verkündigung verbindliche Kraft für alle Theile des Reiches. 
Er erläßt die zur Vollziehung der Reichsgesetze nöthigen Verordnungen. Das Recht 
des Vorschlags und der Zustimmung zu den Gesetzen theilt er mit dem Reichstage.“ 
§ 9. „Der Kaiser übt die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands und der 
einzelnen deutschen Staaten aus. Von ihm werden die Gesandten und Consuln 
ernannt und bei ihm beglaubigt. Er schließt die Verträge mit auswärtigen Staaten 
und überwacht die Verträge der einzelnen deutschen Staaten. Er entscheidet über 
Krieg und Frieden."“ 
§ 10. „Der Kaiser ist unverletzlich und unverantwortlich, dagegen müssen 
alle von ihm ausgehenden Verfügungen von wenigstens einem der Reichsminister 
unterzeichnet werden — — —“ 
Der Kaiser sollte Übrigens ein Erbkaiser sein, dem zwei Kammern, ein Fürsten- 
rath und eine Wahlkammer, zur Seite stehen sollten. In § 30 war noch bestimmt: 
„Alle Bundesbeschlüsse, Landesgesetze und Verträge zwischen den einzelnen deutschen 
Staaten find, insoweit sie mit den Bestimmungen des Reichsgrundgesetzes in Wider- 
spruch stehen, hiermit außer Kraft gesetzt.“ 
Dieser Siebzehner-Entwurf fand namentlich wegen des Erbkaisers bei den 
meisten Einzelregierungen wenig Anklang. 
Inzwischen waren am 5. März 51 Mitglieder einer in Heppenheim 1847 
abgehaltenen Versammlung von liberalen süddeutschen Abgeordneten in Heidelberg 
zusammengetreten, hatten die Berufung einer mittelst Kopfzahlwahlen zu bildenden 
deutschen Nationalversammlung als nothwendig erklärt und eine Commission, die 
sogenannte „Siebener-Commission“, bestellt, welche hinsichtlich der Wahl und Ein- 
richtungen der Nationalversammlung Vorschläge vorbereiten und die Einladung zu 
einer Versammlung deutscher Männer schleunigst besorgen sollte. Diese Siebener- 
Commisfion berief nach Frankfurt das sog. Vorparlament, eine Versammlung, 
die aus etwa 600 Personen, weit überwiegend füd= und westdeutschen Publicisten 
und Ständemitgliedern, bestand, am 31. März in Frankfurt zusammentrat, den 
Professor Mittermaier aus Heidelberg gegen Robert Blum zum Vorsitzenden 
  
ꝛ edruckt u. A. bei Weil, Quellen und Actenstücke zur deutschen Verfassungsgeschichte, 
Verlin d S. 111 f. 
Arudt, Daz Staatsrecht des Deutschen Reiches. 2
	        
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