228 Fünftes Buch. Die Verwaltung des Innern.
rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses wieder auszuhändigen, und zwar an
den gesetzmäßigen Vertreter, wenn dieser es verlangt, oder der Arbeiter noch nicht
16 Jahre alt ist, sonst an den Arbeiter selbst (J 107). Das Arbeitsbuch wird
durch die Polizeibehörde des Ortes, an dem der Arbeiter zuletzt seinen dauernden
Aufenthalt gehabt hat, kosten- und stempelfrei ausgestellt. In ihm ist durch den
Arbeitgeber die Zeit des Eintritts, die Art der Beschäftigung und die Zeit des
Austritts zu vermerken. Die Eintragung eines Urtheils über die Führung oder
Leistungen des Arbeiters und sonstige durch dieses Gesetz nicht vorgesehene Ein-
tragungen oder Vermerke, insbesondere die Eintragung eines Merkmals, welches
den Inhaber günstig oder nachtheilig zu kennzeichnen bezweckt!, find bei Strafe
verboten (§ 111). Beim Abgange können die Arbeiter ein Zeugniß über die Art
und Dauer ihrer Beschäftigung fordern. Dieses Zeugniß ist auf Verlangen der Arbeiter
auch aus ihre Führung und Leistungen auszudehnen. Strafbar ist das Versehen des
Zeugnisses mit Merkmalen, die den Arbeiter in geheimer Weise kennzeichnen (§ 113).
Verbot des Trucksystems.
Die Gewerbetreibenden, deren Familienglieder, Gehülfen, Beaustragte, Geschäfts-
führer, Aufseher und Factoren (auch Vorstandsmitglieder einer Actiengesellschaft?)
find verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter in Reichswährung zu berechnen und
baar auszuzahlen (§ 115, Abs. 1). Lohnabzüge für Forderungen find hiernach —
soweit nicht Ausnahmen bestehen — unstatthaft, wohl aber kann, nachdem der
Lohn ausgezahlt worden ist, die Berichtigung der Schulden des Arbeiters an dritte
Personen mittelbar durch den Arbeitgeber oder dessen Beauftragten erfolgen". Auch
kann der Arbeiter sofort nach Empfang des Lohnes vom Arbeitgeber Waaren ent-
nehmen 5. Ebenso darf die Lohnzahlung unter Zustimmung des Arbeiters an dritte
Personen erfolgen #. Strafbar ist die Ausgabe von Marken als Vorschuß auf den
Lohn, um dafür Lebensmittel bei Dritten für Rechnung des Arbeitgebers zu ent-
nehmen?, desgleichen die Zahlung des Lohnes in Anweisungen, Wechseln u. dgl..
Die Arbeitgeber dürfen den Arbeitern keine Waaren creditiren, wohl aber gegen baar
verkaufen 7. Doch ist es gestattet, den Arbeitern Lebensmittel 10 für den Betrag der An-
schaffungskosten 71, Wohnung und Landnutzung gegen die ortsüblichen Mieth= und
Pachtpreise, Feuerung, Beleuchtung, regelmäßige Beköstigung, Arzneien und ärztliche
Hülfe, sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten für den
Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten zu verabfolgen. Zu einem häöheren
Preise ist die Verabfolgung von Werkzeugen und Stoffen für Accordarbeit zulässig,
wenn derselbe den ortsüblichen nicht übersteigt und im Voraus vereinbart ist
(§ 115, Abf. 2).
Der Arbeitgeber und sein Vertreter find strafbar, auch wenn sie eine Zuwider-
handlung gegen das Verbot des Trucksystems nur wissentlich geschehen lassen 18.
Lohn= und Abschlagssammlungen dürfen nicht ohne Genehmigung der unteren
Val. *. Entsch- cbes Reichsgerichts in
Strafk.
20 bnnch- des Mias in Straff., Bd. XXIX,
2 Ueber den Begriff Arbeiter s. Entsch. des
Reichsger. in - Bd. XIII, S. 182.
2Gnisch. des Reichsger. in Straff. Bd. XxVI,
15# Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. XIII,
" Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd.XXIX,
S. 95; z. B. an Bevollmächtigte, ebendort BdKN
Xy, S. 289.
1 Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. VII,
- 33; vgl. indeß auch daselbst üd. XXIX,
m# Entsch. des Reichsger. in Strafs., Bd. I,
S. 385, Bd. VII, S. 242, Bd. XVII, S. 285,
Bd. XXVI, S. 290 a. a. O.
o Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. XV,
S. 284, und Bd. XXII, S. 178.
10 Dazu kann in besonderen Fällen auch
Branntwein gehören, Entsch. des icheger. gn
Strafs., Bd. XX, S. 217, Bd. XXX,
11 Ban gehören auch' der n#. 2
Transportkosten und sonstige Auslagen, nicht
die Kosten der Lagerung, Unterhaltung, noch
die n der Anschaffongskoften Enz ded
Sei bocr in gStraff, Bd. XVIII, S. 223, 5
*. *2 c Selbstkosten gehören neben den
Anschaffungskosten auch die Zinsen, Kosten der
Lagerung u. s. w.; auch Schwund und Leckage
sind zu berückichtigen, Entsch. des Reichsger. in
Straff., Bd. XXX, S. 253, Bd. XXVII, S. 321.
1# Entsch. Drt Reichsger. in Strass., Bo. XXIX,
S. 27. Auch durch Fahrlässigkeit kann die
Strafbarkeit begründet werden, Entsch. des
Reichsger. in Straff., Bd. XXII. S. 43.