Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 30. Bom Gewerbewesen u. s. w. 229 
Verwaltungsbehörde in Gast= und Schankwirthschaften oder Verkaufsstellen erfolgen; 
sie dürfen an Dritte nicht erfolgen auf Grund von Rechtsgeschäften oder Urkunden 
über Rechtsgeschäfte, welche nach § 2 des Gesetzes, betr. die Beschlagnahme des 
Arbeits= oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 rechtlich unwirksam sind (§ 115a). 
Verträge und Verabredungen, welche dem § 115 zuwiderlaufen, sind nichtig; 
sie heben insbesondere die Strafbarkeit nicht auf. Dasfselbe gilt von Verabredungen 
über die Entnahme von Bedürfnissen aus gewissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt 
über die Verwendung des Verdienstes zu einem anderen Zweck als zur Betheiligung 
an Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter und ihrer Familien; 
daher ist die Gewährung von Wohnung, Feuerung, die Verwendung zur Ein- 
zahlung in Sparkassen, Hülfskassen statthaft! (§ 117). Arbeiter, deren Forderungen 
in einer dem § 115 zuwiderlaufenden Weise berichtigt worden find, können zu jeder 
Zeit Zahlung in baar und Reichswährung verlangen. Was ihnen gegen die Vor- 
schrift in § 115 an Zahlungsstatt gegeben ist, fällt derjenigen Hülfskasse zu, 
welcher der Arbeiter angehört (§ 116). Letzteres gilt auch in Bezug auf Forderungen 
für Waaren, welche dem § 115 zuwider creditirt worden find (§ 118). 
Lohneinbehaltungen zur Sicherung eines Anspruches oder eines Contractbruches 
dürfen bei den einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes und im 
Gesammtbetrage den Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen 
(§ 119a). Die Vorschriften über das Verbot des Trucksystems find auch für die 
Haus-= (oder Außen)-Arbeiter anwendbar (§5 119b)7. 
Besondere Fürsorgepflichten. 
Die Gewerbeunternehmer müssen ihren Arbeitern und Arbeiterinnen unter 
achtzehn Jahren die erforderliche Zeit zum Besuche einer vom Staate oder der 
Gemeindebehörde anerkannten Fortbildungsschule gewähren. Auch kann durch 
Communalstatut der Besuch einer solchen Schule für männliche Arbeiter unter 
achtzehn Jahren obligatorisch erklärt werden (§ 120). 
Die Gewerbeunternehmer (bei Fabrik= wie bei handwerksmäßigen Betrieben) 
find verpflichtet, die Arbeitsräume, Betriebsvorrichtungen u. s. w. so einzurichten 
und zu unterhalten, auch den Betrieb so zu regeln, daß die Arbeiter gegen Gefahren 
für Leben und Gesundheit nach Möglichkeit geschützt find (§ 120 a). Sie sind 
ferner verpflichtet, diejenigen Einrichtungen zu treffen und zu unterhalten und die- 
jenigen Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter im Betriebe zu erlassen, 
welche erforderlich sind, um die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des An- 
standes zu sichern (§ 120b). Wenn Arbeiter unter achtzehn Jahren beschäftigt 
werden, sind bei der Einrichtung der Betriebsstätte und bei der Regelung des Be- 
triebes diejenigen besonderen Rücksichten auf Gesundheit und Sittlichkeit zu nehmen, 
welche durch das Alter dieser Arbeiter geboten find (§ 120c). Die zuständigen 
Polizeibehörden sind befugt, im Wege der Verfügung für einzelne Anlagen die 
Ausführung derjenigen Maßnahmen anzuordnen, welche zur Durchführung der in 
8§§5 120 a bis 120c enthaltenen Grundsätze erforderlich und nach Beschaffenheit der 
Anlage ausführbar find. Gegen die Verfügung ist nur Beschwerde im Verwaltungs- 
wege statthaft (§ 120 4). Durch Beschluß des Bundesrathes können Vorschriften 
darüber erlassen werden, welchen Anforderungen in bestimmten Arten von Anlagen 
zur Durchführung der in den §§ 120 a bis 120c enthaltenen Grundsätze zu ge- 
nügen ist (§ 120e, Abs. 1). Demgemäß erließ der Bundesrath Vorschriften über 
die Anfertigung u. s. w. von Zündhölzern (R.-G.-Bl. 1893, S. 209), von Blei- 
farben und Bleizucker (R.-G.-Bl. 1893, S. 213), von Cigarren (das. S. 218), 
Alkali-Chromaten (R.-G.-Bl. 1897, S. 11), Buchdruckereien und Schriftgießereien 
(R.-G.-Bl. 1897, S. 614). Soweit solche Vorschriften durch den Bundesrath 
nicht erlassen sind, können sie durch Anordnung der Landes-Centralbehörden oder 
durch Polizeiverordnungen der zuständigen Behörden erlassen werden. Für solche 
Betriebe (und nur für solche Betriebe), in welchen durch übermäßige Dauer der 
  
egt Sten. Ber. des Reichstages 1891,XII, S. 428, Bd. XIII, S. 182, Bd. XVI, S. 333, 
S. 1683, 1698 a. a. O. Bd. XVII, S. 129 a. a. O. 
2 Vgl. Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd.
	        
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