240 Fünftes Buch. Die Verwaltung des Innern.
Beiträge aufzubringen, und zwar zu einem Drittel von den Unternehmern 1, zu zwei
Dritteln von den Versicherten. Der Kasse gegenüber haftet nur der Unternehmer,
dem die von ihm verauslagten Beitrittsgelder und die Arbeiterbeiträge zurück-
zuerstatten find. Er kann diese vom Lohne abziehen. Durch Gemeindebeschluß
oder Kassenstatut kann bestimmt werden, daß die Beiträge stets für volle Wochen
erhoben werden. Im Falle der Erwerbsunfähigkeit werden für die Dauer der
Krankenunterstützung Beiträge nicht entrichtet. Die Mitgliedschaft dauert während
des Bezuges der Krankenunterstützung fort. Die Arbeitgeber sind zur An= und
Abmeldung (bei der Kasse) der von ihnen beschäftigten verficherungspflichtigen
Arbeiter verpflichtet. Nothwendig werdende Zuschüsse sind bezw. vom Fabrikherrn,
vom Bauherrn oder von der Innung zu gewähren, ohne daß Rückerstattung ver-
langt werden kann; Ortskrankenkassen werden bei etwaiger Insuffizienz durch die
Auffichtsbehörde geschlossen, bei der Gemeindekrankenversicherung trägt die Gemeinde
das Risiko. Alle Kassen (d. h. nach Vorstehendem nicht die Innungskranken-
kassen und die Gemeindekrankenversicherung) haben die Rechte der juristischen Per-
sönlichkeit, sie find Corporationen des öffentlichen Rechtes. Sie haben Selbst-
verwaltung. Ihre Geschäfte werden durch den Vorstand geführt, der durch Wahl
gebildet wird. Die Wahl vollziehen die Arbeiter und Arbeitgeber, letztere indeß.
nur, wenn und in dem Verhältnisse, wie sie Beiträge leisten.
III. Unfallversicherung.
Nach gemeinem deutschen Civilrecht wie nach preußischem Landrecht haftet
Jeder nur für den durch eigenes Verschulden oder eigenes Versehen ent-
standenen Schaden. Für fremdes Versehen haftet er nur, wenn ihn ein Verschulden
in der Auswahl trifft. Damit deckt sich im Wesentlichen das Bürgerliche Gesetz-
buch, nach dessen § 831 eine Ersatzpflicht des Geschäftsherrn nicht eintritt, wenn er
bei der Auswahl der bestellten Personen und, sofern der Geschäftsführer Vorrich-
tungen oder Geräthschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtungen
zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt beobachtet, oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt
entstanden sein würde. Dagegen bestimmt code civil art. 1384, daß Geschäfts-
herren für die Verrichtungen und Versehen ihrer Angestellten unbedingt verant-
wortlich find: „On est responsable non seulement du duommage qdue Ton cause par
son propre fait, mais encore du celui, qui est causé par le fait des personnes
dont on doit répondre.“ Theilweise noch weiter als das franzöfische Recht geht das
heute — allerdings nur noch zum geringen Theile und auch nur mit den Abweichungen
in Art. 42 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche — gültige Gesetz,
betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenerfatz für die bei dem Betriebe von
Eisenbahnen, Bergwerken 2c. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen,
vom 7. Juni 1871 (R.-G.-Bl. 1871, S. 207). Dieses, das sogenannte Haftpflicht-
gesetz, bestimmt in § 1: Für Unfälle bei dem Betriebe einer Eisenbahn haftet der
Unternehmer dieser Bahn stets, falls er nicht den Beweis führt, daß der Unfall
durch eigenes Verschulden des Beschädigten oder durch unabwendbaren Zufall ver-
ursacht ist. Das Gesetz bestimmt sodann (§ 2), daß für Unfälle bei dem Betriebe
eines Bergwerks, eines Steinbruchs, einer Gräberei (Grube) oder einer Fabrik der
Unternehmer haftet, wenn der Verunglückte oder dessen Hinterbliebenen ein Ver-
schulden eines Bevollmächtigten, Repräsentanten oder einer zur Leitung oder
Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommenen Person nachweisen.
Diese Bestimmung (§ 2) zeigte Mängel: 1) Die dem Verunglückten auferlegte
Beweislast machte, zumal wenn die Unglücksstätte nicht mehr in ihrem alten Zu-
stande oder die Zeugen des Unfalls zu Grunde gegangen waren, den Schadens-
ersatzanspruch in vielen Fällen illusorisch. 2) Für die häufigen, durch Verschulden
1 Nur ganz kleine Arbeitgeber können von Reichsverficherungsamtes, Piloty, Reichsunfall-
der Beitragspflicht befreit werden. versicherungsrecht, Commentare von v. Woedtke
2*2 Literatur: Die Entscheidungen des u. A.