Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

5 31. Bon der Arbeiterversicherung. 245 
Arbeiter (nebst je zwei Stellvertretern) aus ihrer Mitte in getrennter Wahlhandlung 
gewählt. Das Reichs-Versicherungsamt ist eine mit selbstständigen Entscheidungs- 
und Zwangsbefugnissen ausgerüstete Reichsbehörde, welche unbeschadet der dem 
Bundesrathe übertragenen Befugnisse die Durchführung des Unfallversicherungs- 
gesetzes in organisatorischer, administrativer, gerichtlicher und disciplinarischer Be- 
ziehung in letzter Instanz in der Hand hat. Eine oberste Reichsbehörde, wie das 
Reichsamt des Innern, das Reichsjustizamt und das Reichsschatzamt, ist das Reichs- 
Versicherungsamt indessen nicht. Das Amt, das zum Ressort des Reichsamts des 
Innern gehört, hat richterliche, verwaltungsgerichtliche und rein administrative 
Funktionen. Bei Entscheidung der Recurse gegen die Entscheidung der Schieds- 
gerichte wie bei der Genehmigung von Vorschriften zur Verhütung von Unfällen, 
bei Entscheidung vermögensrechtlicher Streitigkeiten, bei Veränderungen des Be- 
standes der Genossenschaften und in anderen Fällen (§ 90) ist die Beschlußfassung 
des Reichs-Versicherungsamtes durch die Anwesenheit von mindestens fünf Mitgliedern, 
unter denen sich je ein Vertreter der Genofsenschaftsvorstände und der Versicherten 
befinden muß, bedingt. 
Die Unternehmer haben die Kosten einmal nach Maßgabe der von ihnen ge- 
zahlten Löhne und sodann nach Maßgabe der Gefährlichkeit der Betriebe (Gefahren= 
tarif) (§ 28) aufzubringen, und zwar im Allgemeinen nach den Grundsätzen des 
Umlageverfahrens, d. h. der aufzubringende Betrag für die Renten, den 
Reservefonds und die Verwaltungskosten wird auf die einzelnen Betriebe umgelegt 
(vertheilt); ausnahmsweise (bei der Tiefbauberufsgenossenschaft) ist der Kapital- 
werth der zur Entstehung gelangten Renten aufzubringen (Kapitaldeckungsverfahren). 
Neben den Renten ist beim Umlageverfahren (mit Ausnahme der landwirthschaftlichen. 
Berufsgenossenschaften) ein Reservesonds aufzubringen. 
Die Berufsgenossenschaften haben gegen die Unternehmer und deren Angestellte 
Regreß, wenn strafgerichtlich festgestellt ists, daß diese den Unfall vorsätzlich oder 
durch Fahrlässigkeit mit Außerachtlassung der Berufspflicht herbeigeführt haben 
(Unfallversicherungsgesetz § 96). Anspruch auf vollen Schadensersatz besteht für die 
Verficherten nur gegen die Unternehmer oder deren Angestellte, und dies nur rück- 
sichtlich deren durch strafgerichtliches Urtheil festgestellt ist, daß sie den Unfall vor- 
sätzlich herbeigeführt haben (§ 95). Das Haftpflichtgesetz kommt nur noch ausnahms- 
weise zur Anwendung, hauptsächlich für Betriebsunfälle folcher Personen, welche 
zum Unternehmer nicht im Verhältnisse eines Betriebsbeamten oder Betriebsarbeiters 
stehen, also für kaufmännische Beamte, Personen, die nicht im Betriebe ihres, 
sondern eines fremden Unternehmers stehen, ferner auf nicht versicherte Betriebs- 
beamte mit mehr als 2000 Mark Einkommen (vergl. § 2). Aufrechterhalten 
find die Ansprüche Aller, welchen der Getödtete nach § 3 des Haftpflichtgesetzes zur 
Zeit des Todes vermöge Gesetzes zum Unterhalt verpflichtet war; hieraus folgt, 
daß ein außerehelich geborenes Kind in Höhe des ihm gegen seinen Erzeuger zu- 
stehenden Anspruchs aus dem Haftpflichtgesetz gegen den Unternehmer klagen kann. 
Das Haftpflichtgesetz (§ 1) gilt endlich für Passagiere, die auf der Eisenbahn ver- 
unglücken. In allen diesen hier aufgezählten Fällen ist (nur) der Rechtsweg gegeben. 
Da die Unfallberufsgenossenschaften an der Verhütung von Unfällen ein großes 
(schon finanzielles) Interesse haben, find fie nicht bloß selbst zum Erlasse von 
Unfallverhütungsvorschriften, sondern auch zu einer gewissen Mitwirkung 
bei den auf Unfallverhütung abzielenden Polizeiverordnungen befugt. Die näheren 
Vorschriften hierüber sind namentlich im Unfallversicherungsgesetze vom 6. Juli 1884 
(88 78 bis 86), im landwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetz (658 87 bis 94), 
in dem für Bauten (§ 44) und für Seeleute (§ 90) enthalten. 
Die von den Landesbehörden aller Art (auch Bergbehörden) zur Verhütung 
don Unfällen zu erlassenden Anordnungen find (§ 81), sofern nicht Gefahr im 
Verzuge ist, den betheiligten Genossenschafts= (bezw. Sections-)Vorständen zur 
Begutachtung mitzutheilen. Nicht fallen unter diese Vorschrift die Verordnungen, 
Später auch des Invaliditäts= und Alters-- Civilf., Bd. XXXIV, S. 88; das Strafurtheil 
versicherungsgesetzes. unterliegt der Nachprüfung durch den Civil= 
* Das Strafurtheil ist die Einzige Voraus= richter, ebend. Bd. XXXVII, S. 37, Bd. XXXIX, 
setung der Regreßklage, Entsch, d. Reichsger. inS. 109. 
  
  
 
	        
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