254 Flu#stes Buch. Die Verwaltung des Innern.
besondere über Material, Gestalt, Bezeichnung und sonstige Beschaffenheit der
Maaße und Gewichte, über die Bedingungen der Stempelfähigkeit der Waagen,
das Aichungs= und Stempelverfahren, wie über Fehlergrenzen, in Uebereinstimmung
mit den für das Reich ergehenden Vorschriften zu regeln.
Die Aichung und Stempelung in Bayern wirkt nicht für das außerbayerische
Reichsgebiet und umgekehrt.
Art. 54, Abs. 2 der Reichsverfassung bestimmt: „Das Reich hat das Verfahren
zur Ermittelung der Ladungsfähigkeit der Seeschiffe zu bestimmen, die Aus-
stellung der Meßbriefe, sowie die Schiffscertifikate zu regeln . “ Handelte es sich
hierbei nur darum, die Zuständigkeit des Reiches gegenüber derjenigen der Bundes-
staaten festzusetzen, so würde die Vorschrift kürzer und generell in Art. 4 mit auf-
genommen sein. Der Zweck und Sinn von Art. 54, Abs. 2 geht dahin, daß an
Stelle der in den Bundesstaaten bestehenden verschiedenen Arten zur Ermittelung
der Ladungsfähigkeit und der Ausstellung der Meßbriefe und Schiffscertificate das
Reich eine einheitliche Norm setzen sollte. Selbstverständlich konnte dies das Reich
durch Gesetz auch ohne Art. 54. Folglich ging die Absicht dieses Artikels dahin,
daß ohne Gesetz (im Verwaltungswege, wie die Praxis, im Verordnungswege, wie
die Theorie sagt) das Erforderliche vorgeschrieben werden soll. Verordnungsorgan
des Reiches ist, wenn kein Anderes bestellt ist, nach Art. 7, Abs. 2 der Bundesrath.
Folglich hat der Bundesrath die zur Ausführung des Art. 54, Abf. 2 erforderlichen
Vorschriften mit Recht erlassen 1. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift in Art. 54,
Abs. 2 ergiebt übrigens klar den Ausschluß des Gesetzes= und die Statthaftigkeit
des Verordnungsweges. Auch war dieser Weg in den deutschen Einzelstaaten für
die Vermessung der Schiffe und die Ausstellung der Schiffscertificate und Meß-
briefe hergebracht. Die Reichsverfassung wollte, daß an die Stelle der verschiedenen
Verordnungen eine gemeinsame Reichsverordnung treten sollte. Zweifellos enthalten
die auf Grund Art. 54 Abs. 2 erlassenen Bundesrathsverordnungen Rechtsvor-
schriften?", nämlich zwingendes Recht für Erbauer, Besitzer und Führer von
Schiffen.
Es gilt heute die Schiffsvermessungsordnung vom 20. Juni 1888
in der Form des Bundesrathsbeschlusses vom 1. März 1895 (R.-G.-Bl. 1895,
S. 1583). Alle Schiffe, Fahrzeuge und Boote, welche ausschließlich oder vorzugs-
weise zur Seefahrt im Sinne der Bekanntmachung vom 13. November 1873
(R.-G.-Bl. 1873, S. 367) bestimmt find, unterliegen der Vermessungspflicht. Die
Vermessung erfolgt nach metrischem Maaß zu dem Zwecke, den Rauminhalt des
Schiffes zu ermitteln. Neue, im Bau begriffene Schiffe find zu vermessen, sobald
das Vermessungsdeck gelegt ist, Dampfschiffe, bevor irgend eine Einrichtung
im Innern des Schiffes angebracht ist, welche die Aufnahme der vorgeschriebenen.
Maaße verhindern könnte. Die Vermessung der Aufbauten auf dem obersten Deck
und die der Räume im Innern des Schiffes erfolgen nachträglich. Die Rheder
und die Führer eines jeden Schiffes find verpflichtet, den Leuten der Vermessungs-
behörde Hülse und Aufschluß zu gewähren. Ein Umbau muß angezeigt und dem-
nächst das Schiff von Neuem vermessen werden. Die Vermessungsbehörden dürfen
Schiffe auch der Controle wegen vermessen.
Die Vermessungsbehörden find Landesbehörden. Sie unterstehen der Aussicht
des Schiffsvermessungsamts, einer Reichsbehörde, welche ihren Sitz in
Berlin hat und zum Ressort des Reichsamts des Innern gehört. Dem Schiffs-
vermessungsamt liegt die Revision der Schiffsvermessungen ob; es ist befugt, den
Vermessungsbehörden die erforderlichen technischen Anweisungen zu ertheilen, es
kann Kenntniß von deren Aufzeichnungen und Berechnungen nehmen, die Aus-
führung von Neu= und Nachvermessungen anordnen und die Abstellung der dabeie
vorgefundenen Mängel herbeiführen.
Ueber jede Vermessung wird von der Vermessungsbehörde ein Meßbrief
1 S. Näheres hierüber Arndt, Verordnungs= sicht Laband, II, S. 182, G. Meyer, Ver-
recht, S. 139, und im Ergebniß übereinstimmend waltungsrecht, 1, 4 172.
Seydel, Comm., S. 303 f., Loening, Ver- 2 Dies erkennt selbst Laband, II, S. 182, an.
waltungsrecht, S. 657, Anm. 1; anderer An-