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Art. 4, Ziff. 10 der Verfassung des Norddeutschen Bundes, bezw. der Reichs-
verfassung legte dem Bunde (Reiche) die Beaufsichtigung und die Gesetzgebung über
das Post= und Telegraphenwesen bei. Art. 48, Abs. 1 ebendort bestimmt: „Das
Postwesen und das Telegraphenwesen werden für das gesammte Gebiet des Deutschen
Reichs als einheitliche Staatsverkehrs-Anstalten eingerichtet und verwaltet.“ Nach
Art. 50 gehört dem Kaiser die obere Leitung der Post= und Telegraphenverwaltung
an — — Ihn steht der Erlaß der reglementarischen Festsetzungen und allgemeinen
administrativen Anordnungen, sowie die ausschließliche Wahrnehmung der Be-
ziehungen zu anderen Post= und Telegraphenverwaltungen zu.
In Elsaß-Lothringen wurden die Vorschriften der Reichsverfassung über
das Post= und Telegraphenwesen durch Kaiserliche Verordnung vom 14. Oktober
1871 (R.-G.-Bl. 1871, S. 443) eingeführt. Diese Vorschriften finden nach Art. 52
der Reichsverfassung auf Bayern und Württemberg keine Anwendung. Diese
Bundesstaaten haben an den zur Reichskasse fließenden Einnahmen des Post= und
Telegraphenwesens keinen Theil. Doch gilt auch für diese Staaten: 1) (Art. 52,
Abs. 2): „Dem Reiche ausschließlich steht die Gesetzgebung über die Vorrechte der
Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum
Publikum, über die Portofreiheiten und das Posttaxrwesen zu.“ Dagegen
steht Bayern und Württemberg, einem jeden Staate für seinen internen Verkehr,
der Erlaß der reglementarischen Anordnungen, wie die Bestimmung der Tarife im
Post- und Telegraphenwesen zu.
2) (Art. 52, Abs. 3): „Ebenso steht dem Reiche die Regelung des Post= und
Telegraphenverkehrs mit dem Auslande zu . . .... * Dagegen haben Bayern und
Württemberg die Befugniß, nach näherer Vorschrift in Art. 49 des Postvertrages
vom 23. November 1867 (B.-G.-Bl. 1868, S. 69) den Post= und Telegraphenverkehr
mit ihren dem Reiche nicht angehörenden Nachbarstaaten zu regeln.
Der Inhalt des Art. 49 geht dahin, daß die Erleichterungen, welche dem
Postverkehr des betreffenden Auslandes mit dem Gebiete der vertragschließenden
deutschen (d. h. der bayerischen oder württembergischen) Verwaltung zu Theil
werden, regelmäßig in gleicher Weise und unter denselben Bedingungen auch auf
den durch diese Verwaltung stückweise vermittelten Correspondenzverkehr anderer
deutscher Postgebiete mit dem betreffenden Auslande zur Anwendung kommen.
Nach Art. 48, Abs. 2 der Reichsverfassung ist dem Gesetzgebungswege das-
jenige Gebiet des Post= und Telegraphenwesens entzogen, welches davon im Nord-
deutschen Bunde befreit gewesen ist. In diesem war (Art. 48 der Verfassung des
Norddeutschen Bundes) der Verordnungsweg in den Fällen zulässig, wo er dies
nach dem preußischen Recht war 1. Der Kaiser hat hiernach auf dem Gebiete des
Post- und Telegraphenwesens die Befugniß, alle Gegenstände, welche in Preußen
nicht durch Gesetz geregelt waren, durch Verordnung zu regeln, insbesondere also
auch die erforderlichen Rechtsnormen aufzustellen. Da nun die Absicht weder der
Reichs= noch der Norddeutschen Bundesverfassung dahin ging, noch vernünftiger
Weise dahin gehen konnte, daß der Kaiser alle diese Details in Person zu normiren
habe, so ist dem Reichskanzler die Befugniß subdelegirt worden, auf dem gesetzlichen
Gebiete das Post= und Telegraphenwesen zu regeln, wie diese Befugniß auch einst in
Preußen nicht vom Monarchen in Person, sondern durch den Ressort-(Handels-)
Minister ausgeübt worden ist.
Nach Art. 50, Absf. 2 der Reichsverfassung steht dem Kaiser die ausschließliche
Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen Post= und Telegraphenverwaltungen zu.
Er hat das Vertragsrecht, und zwar ohne daß er auf dem gesetzfreien Gebiete die
Zustimmung des Bundesrathes oder des Reichstages nöthig hat.
Da Reichsverordnungen nur, wenn dies der Reichsgesetzgeber ausdrücklich vor-
schreibt, im Reichsgesetzblatt verkündet zu werden brauchen?, so sind die vom
11 Arndt, Verordnungsrecht, S. 116, Rie= den Abschluß von Staateverträgen, Leipzig
del, Comm., S. 194 ff., Morio- zum Postgesetze 1874, S. 208 ff.
vom 2. November 1867 in den Drucks. des 2 Oben S. 205f.
Reichst. 1867, S. 29, Ernst Meier, Ueber