Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

286 Sechstes Buch. Berkehrswesen. 
und 10. Juni 1890, Entsch. in Straff., Bd. XVII, S. 141 und Bd. XX, S. 436), 
von Laband, Reichsstaatsrecht, II, S. 63, Dambach, Comm., S. 5, und 
Anderen muß gegenüber dem citirten § 452 des Handelsgesetzbuchs als antiquirt 
gelten. Zum Begriffe des Vertrages gehört die Vertragsfreiheit, wenigstens theil- 
weise Vertragsfreiheit. Diese fehlt aber auf beiden Seiten vollständig. Das 
Publicum muß sich bei Strafe der Post bedienen und diese muß befördern; die 
Bedingungen stehen gleichfalls kraft zwingender Rechtsnorm fest. Ob, wann, zu 
welchen Bedingungen und Gebühren die Post etwas befördern muß, in welchen 
Fällen und in welchem Umf#annge sie für verspätete oder mangelhafte Beförderung, 
für Beschädigung oder Verlust der Sendung haftet, ist kraft zwingender Rechts- 
normen vorgeschrieben. Alle diesbezüglichen Vorschriften, die im Post= und Tele- 
graphengesetze, wie die in den Post= und Telegraphenordnungen getroffenen, sind 
zwingende Rechtsnormen 1. Wenn sich die entgegenstehende Ansicht, welche von 
Laband, II, S. 42 bis 112, im Wesentlichen auch von Dambach, Comm., 
S. 208, u. A. vertreten wird, darauf beruft, daß nach der ausdrücklichen Vor- 
schrift in § 50 des Postgesetzes die Postordnung als Bestandtheil des Vertrages 
zwischen der Postanstalt und dem Absender, beziehungsweise Reisenden gelten soll, 
so ist zu bemerken, daß der Gesetzgeber damit nur die Verbindlichkeit der Post- 
ordnung ausdrücken wollte, ein Vertrag aber, der als zwingende Norm vor- 
geschrieben ist, kein Vertrag, sondern ein Gesetz ist, ebenso wie das Strafgesetzbuch 
oder das Gerichtsverfassungsgesetz keine Verträge zwischen dem Staate und den 
Bürgern darstellen . Das gesammte Postrecht gehört dem öffentlichen Rechte an. 
Die Geschäfte der Privatposten gehören dagegen überall dem Privat= und dem 
gewillkürten Rechte an. 
Postregal und Postzwang. 
Die Geschäfte der Post sind theils solche, die auch ein Anderer vornehmen 
darf, theils solche, welche nur sie selbst vornehmen darf. Welche Geschäfte sie vor- 
nehmen darf und vornehmen muß, hängt davon ab, was ihr vom Reichsgesetzgeber, 
bezw. kraft dessen Ermächtigung vom Reichskanzler vorgeschrieben wird. Der Be- 
griff der Post in Art. 4 der Reichsverfassung ist im gemeinüblichen Sinne zu ver- 
stehen; es widerspricht diesem Begriffe nicht, sondern entspricht ihm, wenn die Post 
Werthzeichen verkauft, Gelder annimmt oder auszahlt, wenn sie also z. B. gesetzlich 
angewiesen wird, Unfall= oder Invalidenrenten auszuzahlen oder Beitragsmarken 
für die Invaliditätsversicherung zu verkaufen, oder Spareinlagen anzunehmen, 
letzteres um so weniger, weil lange vor Emanation der Reichsverfassung die Post 
in England als Sparkassenstelle fungirte. Es kann daher nicht als Verfassungs- 
änderung angesehen werden, daß der Reichsgesetzgeber die Reichspost mit der Aus- 
zahlung der Unfall= und Invalidenrenten beauftragt hat, oder wenn sie beauftragt 
werden sollte, Spareinlagen anzunehmen b. 
Mit dem Worte „Regal“ ist weiter nichts als der Träger des Rechts be- 
zeichnet, der rex, einst der deutsche Kaiser, ohne dessen Einwilligung oder Ver- 
leihung Niemand dieses Recht ausüben darf. Die Rechte, welche zum Regal 
gehörten, waren so verschieden wie denkbar. Der Heer= und Blutbann, die 
Gerichtsbarkeit, das Zoll- und Münzrecht, die öffentlichen Ströme, die Bergwerke, 
die bona vacantia, die Jagd u. s. w. Daraus, daß die Post Regal war, folgt 
also nur, daß ausschließlich der rer, bezw. der von ihm Beliehene die Post be- 
treiben durfte. Der Ausdruck Regal kommt im Postgesetze nicht vor. Unter Post- 
regal versteht man im Besonderen die Befugniß, die Beförderung gewisser Gegenstände 
  
1 Siehe Arndt, Verordnungsrecht, S. 53 f., Ordnung, der Sicherheit und des Anstandes auf 
S. 116; vgl. auch E. Meier, Ueber den Ab= den Posten u. s. w Rechtsvorschriften sind; die 
sluß von Staatsverträgen, Leipzig 1874, Postordnung ist Ner nicht bloß in diesen, son- 
S. 270—300. dern in allen ihren Vorschriften lex cogens. 
Dambach, I. c. S. 208, giebt zu, daß, 2 Anderer Ansicht Seydel, Hänel u. A. m. 
die Vorschriften über Aufrechterhaltung der
	        
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