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ausschließlich vorzunehmen. Dem Postregal entspricht der Postzwang, d. h. die
Verpflichtung, sich in gewissen Fällen der Post zu bedienen, nicht bloß die Ver-
pflichtung, sich des Betriebes der der Post vorbehaltenen Geschäfte zu enthalten 1.
Das Postregal und der Postzwang gingen früher weiter, nämlich noch auf die
Anlegung von Posten und Marktschiffen; so im Allgemeinen Landrecht, Thl. II,
Tit. 15, § 141. Das preußische Postgesetz vom 2. Juni 1852, § 1, bezog das
Postregal auf die Befugniß, Personen oder Sachen gegen Bezahlung mit unterwegs
gewechselten Transportmitteln oder zwischen bestimmten Orten mit regelmäßig
festgesetzten Abgangs= oder Ankunftszeiten zu befördern. Im Gesetze des Nord-
deutschen Bundes über das Postwesen vom 2. November 1867 war die Personen-
beförderung unter gewissen Umständen noch zum Regal gezogen. Nach dem Gesetze
über das Postwesen vom 28. Oktober 1871 (R.-G.-Bl. 1871, S. 347) unterliegen
dem Postregal, bezw. dem Postzwange nicht mehr die Personenbeförderung, sondern
nur noch „die Beförderung 1) aller versiegelten, zugenäheten oder sonst ver-
schlossenen Briefe, 2) aller Zeitungen politischen Inhalts, welche öfter als einmal
wöchentlich erscheinen, gegen Bezahlung von Orten mit einer Postanstalt nach
anderen Orten mit einer Postanstalt des In= oder Auslandes.“
Brief ist nicht nur jede statt des mündlichen Verkehrs erfolgte schriftliche Be-
urkundung oder schriftliche Mittheilung , sondern auch jede in Briefform (ver-
schlossen) erfolgende Sendung, selbst wenn im Briefe Waaren oder ein leeres Blatt
Papier oder überhaupt nichts enthalten ist 3. Brief ist eine Sendung nur, wenn
sie das für Briefe vorgeschriebene Gewicht nicht übersteigt; dieses Gewicht beträgt
zur Zeit im inneren deutschen Verkehre 250 Gramm. Für den Weltpostverkehr ist
ein Maximalgewicht nicht vorgeschrieben". Kreuzbandsendungen sind keine ver-
schlossenen Briefe, also nicht postzwangspflichtig. Unverschlossene Briefe, welche in
versiegelten, zugenäheten oder sonst verschlossenen Packeten befördert werden, sind
den verschlossenen Briefen gleichzuachten (§ 1, Abs. 3 des Gesetzes). Es ist
jedoch gestattet, verschlossenen Packeten, welche auf andere Weise als durch die Post
befördert werden, solche unverschlossene Briefe, Facturen, Preiscourante, Rechnungen
und ähnliche Schriftstücke beizulegen, welche den Inhalt des Packets betreffen. Die
entgeltliche Beförderung mehrerer unverschlossener Briefe in verschlossenen Packeten
selbst durch die Post ist unstatthaft, wenn es sich dabei um eine versteckte Be-
förderung postzwangspflichtiger Sendungen und nicht um den legalen Verkehr
zweier correspondirender Personen handelt5; insbesondere ist es strafbar, wenn
Jemand (z. B. eine sog. Privat-Brief-Beförderungsanstalt) Briefe von verschiedenen
Personen sammelt, diese Briefe als Packet der Post zur Beförderung übergiebt und
die Briefe dann an die Adressaten bestellt.
Dem Postzwange unterliegen nur politische Zeitungen, d. h. solche,
welche „in der Regel politische Nachrichten bringen oder behandeln“ 7. Die Zeitung
unterscheidet sich von der (nicht postzwangspflichtigen) Zeitschrift dadurch, daß diese
in Heften, jene in Blättern, diese meist auch in längeren Zeiträumen (wöchent-
lich, monatlich u. s. w.), jene alltäglich oder doch öfter als einmal wöchentlich er-
scheint3s. Die zweimeilige Entfernung, innerhalb der die Beförderungsfreiheit für
Zeitungen besteht, ist auf Grundlage der directen Messung nach der Luftlinie zu
1 Dambach, I. S. 11, anderer Ansicht Entsch. in Straff., Bd. XXII, S. 22.
Laband, II, S. 81; 9 auch G. Mever, Vgl. Erk. des Reichsger. vom 20. Juni
Verwaltungsrecht, S. 542, Loening, Ver= 1895, Entsch. in Strafs., Bd. XXVII, S. 302,
waktungsrecht. S. 600. wom 25. Mai 1895, ebendort Bd. XXVII,
:* Ugl. die Erk. des Reichsgerichts vom S. 256; vgl. ferner Dambach, Comm.,
25. September 1895, Entsch. in Straff., Bd. S. 14, 15. Z
XXVII, S. 256, vom 23./28. Mai 1891, eben- * Erk. des Reichsger. vom 14. Februar 1887,
dort Bd. XXII, S. 22; in letzterer Entscheidung Entsch. in Straff., Bd. XV, S. 328, und vom
wird ein verschlossener Umschlag, in dem sich 2. Juli 1888, ebendort Bd. XVIII, S. 46.
kleine Achatwaaren befanden, für einen „Brief" * Vgl. Dambach, S. 17.
erklärt. 8 Vgl. Erkenntnisse des vormaligen Ober-
2 Siehe auch Laband, II, S. 62, Anm. 1. Tribunals vom 12. Juli 1855 und 19. Januar
* Vgl. auch Dambach, Comm., S. 14,|1860 im Preuß. Just.-Min.-Bl. 1885, S. 350,
und Erk. des Reichsger. vom 23./28. Mai 1891, Dambach, S. 19.