290 Sechstes Buch. Verkehrswesen.
Post= und Telegraphengeheimniß.
§ 5 des Postgesetzes schreibt vor: „Das Briefgeheimniß ist unverletzlich.“
Entsprechend lautet § 8 des Telegraphengesetzes. Die Pflicht zur Geheimhaltung
umfaßt alle Thatsachen, welche der Beamte durch eine stattgehabte Correspondenz
amtlich in Erfahrung gebracht hat, nicht bloß den Inhalt der Correspondenz,
sondern auch, ob, zwischen wem und wie sie stattgefunden, ob und welche Zeitung
eine bestimmte Person bestellt hat 1. Dies ist im Telegraphengesetz § 8 aus-
gesprochen und entspricht für Postsendungen der herrschenden Meinung 2. Die Be-
wahrung des Briefgeheimnisses ist eine öffentlich -rechtliche Verpflichtung, deren
Nichtbefolgung eine Verletzung der Dienstpflichten darstellt und deren Befolgung
gegenüber Post= und Telegraphenbeamten in den Fällen der §§ 354
und 355 (358) des Reichs--Strafgesetzbuchs, betreffend widerrechtliche Eröffnung oder
Unterdrückung von Sendungen, unter besonderen strafrechtlichen Schutz gestellt ist.
Sie bezieht sich auch auf Postkarten, Postanweisungen u. dergl. 3. Die Vorschrift
in § 299 des Reichs-Strafgesetzbuchs bedroht dagegen jeden Nicht-Post- und -ele-
graphenbeamten, der einen verschlossenen Brief oder ein verschlossenes, nicht zu
seiner Kenntnißnahme bestimmtes Schriftstück vorsätzlicher und unbefugter Weise
eröffnet. Als eine Verletzung des Brief= und Telegraphengeheimnisses gilt nicht
die vorgeschriebene und ordnungsmäßige Eröffnung unbestellbarer Sendungen
(§ 50, Abs. 3, Ziff. 4 des Postgesetzes und §§ 45 ff. der Postordnung vom 11. Juni
1892, § 21 der Telegraphenordnung vom 9. Juni 1897). Ebenso kommt dies
Geheimniß nicht zur Anwendung in den für strafgerichtliche Untersuchungen, im
Concurse, in civilprocessualischen Fällen oder sonst durch Reichsgesetz festgestellten
Ausnahmen. Diese Ausnahmen betreffen die Statthaftigkeit richterlicher Beschlag-
nahme im Strafproceß, ferner die Befugniß der Gerichte und Staatsanwaltschaften,
in strafgerichtlichen Untersuchungen jede Auskunft von der Post zu verlangen
(Strafprozeßordnung §§ 99, 100). Für ehrengerichtliche und Disciplinarunter-
suchungen bestehen diese Ausnahmen vom Post= und Telegraphengeheimniß nicht.
Civilprocessualische Ausnahmen vom Post= und Telegraphengeheimniß bestehen
nicht"“. Das Concursgericht kann anordnen, daß alle für den Gemeinschuldner ein-
gehenden Sendungen, Briefe und Depeschen dem Verwalter ausgehändigt werden,
welcher zur Eröffnung berechtigt ist C. Die Postverwaltung hat nicht zu prüfen, ob
die Ausnahme vom Post= und Telegraphengeheimniß im concreten Falle gerecht-
fertigt ist, sondern nur, ob das Ersuchen, die Ausnahme zu machen, von einer (in
abstracto) dazu berechtigten Stelle" ausgeht, zugleich aber auch, ob in dem Er-
suchen ein in abstracto geeigneter Fall, d. h. das Vorliegen einer strafgerichtlichen
Untersuchung oder eines Concurses, angegeben ist. Fernere reichsgesetzliche Aus-
nahmen betreffen die Fälle des Belagerungszustandes, bei dem die Militärbefehls-
haber auch Post= und Telegraphensendungen mit Beschlag belegen können (Art. 68
der Reichsverfassung und Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851,
Preuß. G.-S. 1851, S. 451), ferner das Recht der Zollbehörden auf Vorlegung
von Postsendungen (§ 91 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juni 1869, B.-G.-Bl.
1869, S. 317) und § 23 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874, wonach in den
dort (§ 23) angegebenen Fällen eine vorläufige Beschlagnahme von Druckschriften
durch die Polizeibehörde oder Staatsanwaltschaft zulässig ist. Landesgesetzliche
1 Daher sind allgemeine Nachrichten über nach dessen Anficht nur die Mittheilung an un-
die ble der Auflage statthaft; Laband, II, befugte Personen durch das Postgeheimniß ver-
S. 57, Anm. 2, Dambach, S. 44. letzt wird.
2 Erk. des Ober-Tribunals vom 19. Februar 2 Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. I,
1862 (Oppenhoff's Rechtspr. des Ober-Tribu= S. 114.
nals, Bd. II. S. 269), Löning S. 606, 4* Vgol. Sydow, lc., und Dambach,
Anm. 4, Laband, II, S. 57, Zorn, II, S. 19,) S. 41f. Z
Sydow, in Stengel's Wörterbuch, I, S. 245, 6 Koncursordnung (Fassung vom 17. Mai
Dambach, S. 39; anderer Ansicht Löwe, 1898), § 121.
Comm. zu § 99 Strafprozeßordnung, Anm. 1, * Laband, II, S. 59.