Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

300 Sechstes Buch. Verkehrswesen. 
kann sie das Gericht um deren eidliche Vernehmung ersuchen. Nach Abschluß der 
Untersuchung erläßt die Postbehörde, wenn sie eine Defraudation als vorliegend 
erachtet, einen mit Gründen versehenen Strafbescheid, der dem Angeschuldigten ent- 
weder zu Protokoll zu eröffnen oder zuzustellen ist. Im Strafbescheide ist der 
Angeschuldigte sowohl mit den ihm dagegen zustehenden Rechtsmitteln, als auch 
mit der Straferhöhung beim Rückfall bekanntzumachen (5 41). Das Unterlassen 
dieser Bekanntmachung hat aber keine rechtlichen Folgen. Der Strafbescheid kann 
eine höhere oder geringere Strafe als die vorläufige Verfügung enthalten. 
Der Angeschuldigte kann, wenn er von der Berufung auf richterliche Ent- 
scheidung keinen Gebrauch machen will, gegen den Strafbescheid den Recurs an das 
Reichspostamt (bezw. die Direction der Königl. Bayerischen Posten und Telegraphen 
in München, das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in Stuttgart) ein- 
legen. Die Einlegung des Rercurses gilt als Verzicht auf (schließt aus) das gerichtliche 
Verhör. Der Recursbescheid ist endgültig. 
Die Vollstreckung der administrativen Strafbescheide (nicht der Gerichts- 
erkenntnisse) erfolgt durch die Postbehörde, soweit es sich um Geldstrafen und die 
Kosten handelt. Die Umwandlung von Geld= in Freiheitsstrafen erfolgt gemäß 
§ 31 des Postgesetzes durch das Gericht. Auf die Vollstreckung der substituirten 
Geldstrafen kommt auch § 28, Abs. 4 des Strafgesetzbuchs zur Anwendung. 
Telegraphenwesen. 
Solange die Telegraphie besteht, war der öffentliche Betrieb des Telegraphen- 
wesens in den deutschen Staaten und besonders in Preußen Regal und Monopol. 
Dieser Betrieb stand nur dem Staate zu. Das ganze Telegraphenrecht war 
wenigstens in Preußen nicht durch Gesetze, sondern durch Verordnungen geregelt, 
und zwar durch die vom Handelsminister erlassenen Telegraphenreglements vom 
10. Dezember 1858 (Min.-Bl. für die ges. innere Verwaltung 1859, S. 17) und 
(für den Deutsch-Oesterreichischen Telegraphenverein) vom 16. September 1863 
(I. c. 1863, S. 220). Es kann heute dahingestellt bleiben, ob dieser thatsächliche 
Zustand gesetzmäßig war 1. Jedenfalls galt thatsächlich zur Zeit der Errichtung des 
Norddeutschen Bundes das Telegraphenregal und war thatsächlich das Telegraphen- 
recht durch Verordnungen geregelt. 
Als die Norddeutsche Bundesverfassung in Art. 48 bestimmte, daß die Tele- 
graphie als „einheitliche Verkehrsanstalt eingerichtet und verwaltet“ werden sollte, 
hat sie den vorgefundenen Rechtszustand erhalten; denn wenn Jedermann Tele- 
graphen anlegen und betreiben darf, so würde ein Heer von Telegraphenverkehrs= 
anstalten errichtet werden. Außerdem hat Art. 48 der Verfassung die in Preußen 
thatsächlich vorhandene Grenzscheide zwischen Gesetz und Verordnung auf dem Gebiete 
des Post= und Telegraphenwesens aufrechterhalten 2. 
Auf diesen Grundlagen beruhte die vom Reichskanzler erlassene Telegraphen- 
ordnung für das Deutsche Reich vom 13. August 1880 (Centralbl. f. d. Deutsche 
Reich 1880, S. 560)5. 
Nunmehr ist der Rechtszustand im Wesentlichen durch die Reichsgesetzgebung, 
und zwar durch das Gesetz über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs vom 
6. April 1892 (N.-G.-Bl. 1892, S. 467) geregelt. Dieses Gesetz stellt das Tele- 
graphenregal fest, und zwar soll nicht nur der Betrieb, sondern auch die Errichtung 
von Telegraphenanlagen für die Vermittelung von Nachrichten ausschließlich dem 
Reiche (in Bayern und Württemberg diesen Bundesstaaten) zustehen. Unter 
Telegraphenanlagen sind die Fernsprechanlagen mit einbegriffen. Im Gegensatze 
vom Postregal soll es keinen Unterschied machen, ob der Betrieb unentgeltlich oder 
gegen Bezahlung geschieht, ob er zwischen verschiedenen Orten oder innerhalb der- 
  
1 Die Theorie bestreitet, daß vor dem Ge- * Vgl. hierüber Arndt, Verordnungsrecht, 
setze vom 6. April 1892 ein Telegraphenregall S. 73, 116f. 
in Deutschland bestanden hat; siehe z. B. * S. über die Frage, ob Gesetz oder Ver- 
Laband, II. S. 69, E. Löning, Verwaltungs- orhnung auch Sten. Ber. des nordd. Reichstages 
echt, S. 671, G. Meyer, Verwaltungsrecht, L.1869, II, S. 880 f. 
)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.