Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

310 Sechstes Buch. Verkehrswesen. 
Ganz klar ist dies auch in der Rede des Abg. Lasker ausgesprochen (Sten. Ber. 
des Reichstages 1869, S. 828): 
„Darauf kommt es an, daß überhaupt der Bundesrath (also das 
Verordnungsorgan des Reichs) das thun will, was in der Sache zu 
wünschen ist"“ 1. 
Es ist hierbei noch zu berücksichtigen, daß die in den Reglements, Signal- 
ordnungen, Verkehrsordnungen u. s. w. geregelten Gegenstände nach dem in Deutsch- 
land und anderswo hergebrachten Rechte nicht im Gesetzgebungs-, sondern im 
Verordnungswege geregelt wurden. So verweist das preußische Eisenbahngesetz vom 
3. November 1838 (G.-S. S. 503) auf vom Eisenbahnminister zu erlassende 
Bahnpolizei= und Betriebsreglements, und so waren von diesem Minister ergangen: 
die Eisenbahnbetriebsreglements vom 18. Juli 1853, 5. Januar 1861, 22. April. 
1861, 17. Februar 1862, 8. September 1865 (Ministerialbl. f. d. ges. innere Ver- 
waltung 1853, S. 307, 1861, S. 23 und S. 87, 1862, S. 91, 1865, S. 251), 
und in Gemeinschaft mit dem Minister des Innern die Eisenbahnpolizei- 
Reglements vom 2. Februar 1848, 15. Dezember 1858 und 8. Juni 1859 
(Ministerialbl. f. d. ges. innere Verwaltung 1848, S. 134, 1859, S. 58 und S. 153). 
Aber war, dies ist die andere der oben aufgeworfenen Fragen, das Reich 
berechtigt, selbst und unmittelbar die zur Ausführung der Art. 42—5 erforder- 
lichen Verordnungen zu erlassen? 
Allerdings spricht Art. 42 von einer Verpflichtung der einzelnen Staaten, 
nicht von einer Berechtigung des Reiches. Indeß ist Folgendes zu beachten: 
die Bundes= und die Reichsverfassung find entstanden zunächst aus Verträgen, 
welche die Bundesglieder mit einander vereinbart haben; aus Verträgen, bei denen 
es darauf ankam, festzusetzen, was von den Befugnissen der Einzelstaaten fortan zu 
Befugnissen des Reiches werden sollte, oder mit anderen Worten: Befugnisse der 
Bundesglieder an die Gesammtheit abzugeben. Wenn Theile des Bündnißvertrages 
(Art. 42 der Reichsverfassung ist Art. 39 des Vertrages oder Verfassungsentwurfes 
vom 18. Juni 1867) ihrem Wortlaute nach in den Text der Bundes-(Reichs-) 
Verfassung übergegangen find, so folgt daraus, daß sie dadurch aufhörten, Ver- 
tragsrecht zu werden und Verfassungs-Bundes-Reichsrecht wurden. 
Wenn darauf hingewiesen ist, daß die Fassung der Art. 42 und 45 an die 
alten Zollvereinsverträge erinnert, so ist dem gegenüber zu bemerken, daß auch in 
Ansehung dieser das Verordnungsrecht nicht mehr den Einzelstaaten, sondern dem 
Reiche als ein unmittelbares zusteht. Insbesondere sorgt der Bundesrath für die 
„Uebereinstimmung“ und „Gleichheit“ der in Zoll= und Steuersachen erforderlichen 
Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen jedesmal durch den Erlaß einer eigenen 
und einzigen Verordnung. Dies muß also auch im Gebiete des Eisenbahnwesens 
gelten, soweit die ursprünglichen Vertragspflichten der Bundesregierungen in die 
Verfassung Aufnahme gefunden haben. 
Allerdings wäre es, da die Gesetzgebungs= und also auch Verordnungsbefugniß 
des Reiches in Eisenbahnangelegenheiten keine ausschließliche ist, auch statthaft ge- 
wesen, daß die Einzelstaaten selbst Uebereinstimmung und Gleichheit unter ihren 
Eisenbahnbetriebs-(Verkehrs-) und Eisenbahnpolizei-Reglements herbeigeführt hätten. 
Da indeß die Einzelregierungen Jahre lang nach dieser Richtung hin unthätig blieben, 
so durfte und mußte das Reich den vorbeschriebenen Weg einschlagen, für welchen 
auch die praktische Zweckmäßigkeit und insbesondere die dem Reiche obliegende 
Pflicht sprechen, für die Durchführung der Verfassung zumal in einem Falle zu 
sorgen, wo die „thunlichste Beschleunigung“ und die Sorge für die Durchführung 
in der Verfassung selbst befohlen worden find. 
Vorstehendes ist die Ansicht aller Bundesregierungen gewesen welche ein- 
müthig im Bundesrathe die erwähnten Reglements beschlossen. Es war aber auch 
die Ansicht des norddeutschen Reichstages, da dieser in der Resolution vom 
5. Mai 1869 (Sten. Ber. Bd. II, S. 828) den Erlaß der Reglements von Reichs 
wegen und durch den Bundesrath forderte. So sagte u. A. der Abg. Lasker: 
  
1 Vgl. auch ebendort die Erklärung des Bundeskommissars Michaelis.
	        
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