Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

322 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
ohne (d. h. schon vor) Genehmigung des Jahresbudgets, d. h. vor dem Zustande- 
kommen der Appropriationsacte!, zu zahlen. Das Unterhaus seinerseits aber 
hat das unbestrittene Recht, wenn es wollte, alle Einnahmen der Regierung vor- 
zuenthalten?; kann es ja sogar einseitig und beliebig eine bestehende Steuer auf- 
heben und den Ausfall durch den Zuschlag zu einer anderen Steuer aufbringen! 
Ebenso hat es das unbestrittene Recht, wenn es wollte, das ganze Budget der 
Regierung zu verweigern 32. Auch heute noch gelten die Sätze in der Petition of 
right: „That no man be compelled to make or yield any gift, loan, benevolance, 
tax or such like charge, without Ccommon consense by act of parliament“ und 
Bill of rights I, 4: „That levying money for the use of the Crown, by pretence 
of prerogative, without grant of parliament, for longer time and in other manner 
than the same is or shall be granted, is illegal.“" Wollte aber heute das britische 
Unterhaus von seinem Rechte Gebrauch machen und nothwendige oder gar alle Ein- 
nahmen und Ausgaben verweigern, so würde es nur sich selbst, nicht aber die Krone in 
Verlegenheit bringen". Das Budgetrecht des Unterhauses ist einigermaßen verdunkelt 
durch die Herrschaft, welche es uneingeschränkt ausübt. Schließlich muß stets betont 
werden, daß das Budgetgesetz in England wie sonst nur Recht ausmacht zwischen 
Regierung und Parlament, nicht zwischen Volk (Steuerzahlern) und Regierung s. 
Das französische Budgetrecht. 
Das französische Budgetrecht ist in folgenden Sätzen enthalten : „Les impöts 
de répartition sont votés pour un an; tous les autres impöts peuvent P’étre pour 
plusieurs années. Les lois de finances en autorisent chaque annee 
la perception.“ 19: „Toutes contributions directes ou indirectes autres due 
celles qui sont autorisées par les lois de finances, à qduelque titre et sous quelque 
dénomination qu’felles se perçoivent, sont formellement interdites, à peine, contre 
les autorités qui les ordonneraient, contre les employés due confectionneraient 
les röles et tarifs, et ceux qui en feraient le recouvrement, T’'étre poursuivies 
comme concussionnaires, sans préjudice de Paction en répétition, pendant trois 
années, contre tous receveurs, percepteurs ou individus qui auraient fait la per- 
ception.“ 
Bereits Montesquien in seinem Esprit des lois VI, 11 forderte nach dem 
Vorbilde des britischen Rechts jährliche Steuerbewilligungen durch das Parlament, 
um dadurch die perfönliche Freiheit zu sichern. Die im Jahre 1789 berufene 
Nationalversammlung legte sich das alleinige Recht der Steuerbewilligung bei, er- 
klärte alle bisher bestandenen Steuern als gesetzwidrig und beschloß nur deren 
provisorische Forterhebung 7. 
Als Mirabeau am 1. September 1789 seine berühmte Rede für das 
Königliche Veto hielt, unterstellte er dabei, daß das Parlament das unbedingte 
Steuerverweigerungsrecht haben sollte#. Es besteht auch heute kein Zweifel darüber, 
daß die französische Deputirtenkammer alle Credite willkürlich ablehnen kann; 
fraglich ist, ob fie einseitig Gesetze, namentlich Steuergesetze, aufheben kann. Dies 
wird neuerdings bestritten, z. B. von Lebon. 
Es ist hierbei zu beachten, daß allerdings kein Gesetz von der Deputirten- 
kammer allein aufgehoben werden kann, daß daher die Steuerzahler verpflichtet 
  
1 Blackstone, Commentaries on the Hearn, The government of England, ULon- 
laws of England, I, p. 336: „This revenue don 1867, I, p. 358. 
the people can never refuse to raise, because 5 Siehe weiter unten. 
it was made perpetual br act of parliament.“ *Block, Dictionnaire de l’'’administra- 
1 S. auch Todd, I, S. 438. tion française s. m. budget. 
? S. auch Jellinek, Gesetz und Verord- 7 Fellinek, Gesetz u. Verordnung, S. 148. 
nung, Freiburg 1887, S. 130 —146. 8 Jellinek, S. 149. 
4 „In our circonstances to stop the * Lebon, Staatsrecht der franzöfischen 
Supplies would be a very efficient mean to Republik, S. 160 (in Marquardsen's Samm- 
embarase ourselves, but it would cause lung). 
no personal inconvenience to the Qucen,“ 
 
	        
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