Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 36. Das Reichshanshalts-Etatsgesetz. 325 
wird. Dafern aber unvermeidliche und nicht vorher zu sehende Ausgaben 
vorkommen sollten, worüber eine Decharge erforderlich ist, so sollen die p. 
Kammern, und andere denen Cassen vorgesetzte Collegia, solche lediglich, mit 
Anführung aller Umstände, bey der Ober-Krieges= und Domainen-Rechen- 
Kammer nachsuchen, mithin ihre Berichte und Vorstellungen daselbst ein- 
reichen, maßen ohne der Ober-Rechen -Kammer Gutachten keine Decharge 
fürohin ertheilet werden soll.“ — — — 
Die der Ober-Rechnungskammer ertheilten Instructionen bestimmen sonach 
nicht die Ungültigkeit der gegen oder ohne den Etat gemachten Ausgaben, sondern 
die Verantwortlichkeit der Beamten für derartige Ausgaben; sie schreiben nicht 
vor, daß gegen den Etat gemachte Ausgaben vom Empfänger wieder beigetrieben 
werden müssen, daß gegen den Etat abgeschlossene Verträge nicht erfüllt werden 
dürfen, sondern lediglich, daß das gegen den Etat zu viel Ausgegebene unter Um- 
ständen defectirt, d. i. von den Beamten erstattet werden soll. Die Etats ent- 
halten besondere Anweisungen, keine allgemeinen Rechtfsaßze sie 
wenden sich nur an die Behörden, nicht an Jedermann; sie haben 
interne, nicht externe Bedeutung, und daher find fie bis zum Jahre 1821 
streng verheimlicht !, erst von da ab veröffentlicht worden, und zwar auch dann 
nur in einer Weise, welche über die Rechtsverhältnisse des Staates zu seinen 
Gläubigern und Schuldnern nur selten und nur mangelhaft Auskunft giebt. Die 
Veröffentlichung des Staatshaushaltsetats wurde angeordnet durch Kabinetsorder 
vom 17. Januar 1820, betreffend den Staatshaushalt und das Staatsschulden- 
Wesen (G.-S. 1820, S. 21). Die Ordre richtete sich nur an das Ministerium und 
bemerkte, daß dasselbe dem Könige persönlich für Ueberschreitungen des Etats ver- 
antwortlich sein sollte. Die Cabinetsordre befahl die Veröffentlichung des Etats 
alle drei Jahre, aber nicht, um das Verfügungsrecht der Staatsbehörden in quali 
et in quanto zu fixiren oder um offen zu legen, ob und bis zu welcher Höhe jeder 
Dritte mit dem Staate Rechtsgeschäfte abschließen dürfe, sondern nur (und mehr 
konnte Niemand aus den seit 1821 kundgegebenen Ziffern ersehen), damit sich 
Jedermann im Allgemeinen davon überzeugen könne, daß ihm nicht ohne gerecht- 
fertigten Grund Steuern abverlangt werden, und daß er preußische Staatspapiere 
vertrauensvoll kaufen könne. 
Die erste Bekanntmachung des Etats erfolgte durch die Kabinetsorder vom 
7. Juni 1821 (G.-S. 1821, S. 48) mit folgenden Worten: „Ich habe den an- 
liegenden allgemeinen Etat der Einnahmen und Ausgaben für den gewöhnlichen 
Staatsbedarf für das Jahr 1821 — in allen seinen Propositionen festgestellt und 
vollzogen. Das Staatsministerium wird daher angewiesen, darnach in allen resp. 
Verwaltungszweigen zu verfahren.“ 
Die Natur des Etats als einer an die Verwaltungsbehörden ertheilten An- 
weisung ergiebt sich auch aus dem § 26 der Instruction für die Ober-Rechnungs- 
kammer vom 18. Dezember 18247: 
„Die Etats-Titel der Ausgabe find als gesetzliche Normen zu betrachten, welche 
nicht überschritten werden dürfen. Nur in dem Falle soll es den obersten Ver- 
waltungsbehörden freistehen, im Laufe der Administration Erhöhungen der etats- 
mäßigen Ausgaben bis zur Höhe von 5 Procent des speciellen betreffenden Etats- 
Titels zu bewilligen, wenn die Mehr-Ausgaben durch Mehr-Einnahmen unvermeidlich 
herbeigeführt, und die Ersteren aus den Letzteren gedeckt werden können. Es dürfen 
jedoch die betreffenden Normal-Gehalts-Sätze und die Zahl der Beamten nicht ver- 
mehrt werden. Jede andere Mehr-Ausgabe eines Etats Titels, sie 
mag durch Ersparungen bei andern Etats-Titeln gedeckt sein oder 
nicht, soll, wenn sie ohne Unsere Genehmigung erfolgt, zum 
Defect gestellt werden und deren Betrag als Strafe von dem 
Rendanten oder der Verweltungs--Behörde, welche sie angeordnet 
at, eingezogen werden.“ 
  
  
1 Ordre vom 13. November 1746 (Gerteb., irsg (Hertel, S. 81). 
S. 51) und § 7 der Instruction vom 3. Nov.] Hertel, S. 147.
	        
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