328 Siebentes Buch. Finanzwesen.
Consequenz und Entschlossenheit gehandhabt, sie in den Stand setzt, jeden Widerstend
anderer Factoren der Gesetzgebung zu brechen.“
Namentlich wollte die Regierung nicht, daß eine Steuerverweigerung, wie eine
solche am 15. November 1848 von der Nationalversammlung beschlossen war,
wieder Unruhe in das Land werfe und die Bürger aufwiegele, die Steuern vor-
zuenthalten. Da nun weder die Krone, noch die erste Kammer in die Streichung
der Worte: „Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben“ willigten,
blieb es bei dem Inhalte der octroyirten Verfassung, d. h. bei dem heutigen
Art. 109 1, also bei dem Satze, daß der preußische Landtag kein Steuerverweigerungs-
recht hat. Dem widerspricht auch nicht der Wortlaut des Art. 99 der Preußischen
Verfassung: „Alle Einnahmen müssen veranschlagt und auf den Staatshaushalts-=
Etat gebracht werden.“
Das war auch schon vor der Verfassung geschehen. Der Unterschied liegt nur
darin, daß die Veranschlagung nicht mehr allein vom Könige, sondern vom
Gesetze festgestellt wird. Daraus folgt, was auch bei Berathung des § 19 des
Gesetzes, betreffend die Errichtung und die Befugnisse der Ober-Rechnungskammer,
vom 27. März 1872 (G.-S. 1872, S. 278) festgestellt wurde, daß der preußische
Landtag ein Einnahmebewilligungsrecht nicht besitzt?, daß die Einnahmen
eben nur veranschlagt, nicht bewilligt werden. Die Indemnität, welche die Staats-
regierung im August 1866 wegen des budgetlosen Zustandes nachsuchte, bezog sich
nur auf die Ausgaben, nicht auf die Einnahmen, wie dies die Art. 1
und 2 des Gesetzes, betreffend die Ertheilung der Indemnität (an die Regierung)
in Bezug auf die Führung des Staatshaushalts vom Jahre 1862 ab und die
Ermächtigung zu den Staatsausgaben für das Jahr 1866, vom 14. September 1866
(G.-S. 1866, S. 563), unzweideutig ergeben. Auch bei Berathung des preußischen
Gesetzes, betreffend den Staatshaushalt, vom 11. Mai 1898 (G.-S. 1898, S. 77)
ist namentlich zu dessen § 18 der Standpunkt, daß der preußische Landtag ein
Einnahmebewilligungsrecht nicht hat, betont und aufrechterhalten worden s.
Aus Art. 99 der Preußischen Verfassung folgt noch nicht, daß Ausgaben ohne
Etatsgesetz nicht geleistet werden dürfen. Da aber nach der Verordnung vom
27. Oktober 1810 (G.-S. 1810, S. 3) und der Kabinetsorder vom 17. Januar
1820 (G.-S. 1820, S. 21), nach § 26 der Instruction für die Ober-Rechnungs-
kammer vom 18. Dezember 1824“, alle Behörden nur die im Etat vorgesehenen
Ausgaben leisten dürfen, mögen sie auf Gesetz beruhen oder nicht, mögen sie noth-
wendig sein oder nicht, da ferner der Etat nur noch mit Genehmigung des Land-
tages (als Gesetz) zu Stande kommen kann, so ergiebt sich aus diesen Vorschriften,
daß seit der Verfassung Ausgaben nur mit Genehmigung des Landtages verfassungs-
mäßig geleistet werden können. Dies ist auch bei Berathung der Preußischen Ver-
fassung im Jahre 1849 von der Staatsregierung anerkannt worden . Daß alle
Ausgaben, auch die auf Gesetz beruhenden, in Preußen nur auf Grund der Be-
willigung des Landtages geleistet werden dürfen, ist in der Thronrede vom
5. August 1866°%, im Indemnitätsgesetze vom 14. September 1866 (G.-S. 1866,
S. 563), in und bei § 19 des Gesetzes, betreffend die Einrichtung und Befugnisse
der Ober-Rechnungskammer vom 27. März 1872 (G.-S. 1872, S. 278) und bei
dem Komptabilitätsgesetze vom 11. Mai 1898 (G.-S. 1898, S. 77) von Seiten
der Staatsregierung anerkannt.
1 Siehe die eingehende Darstellung von
Arndt, im Archiv für öffentliches Recht, Bd.
III, S. 533 ff
öffentl. Recht, III (1888), S. 540.
* Minister von Manteuffel am 25. Sep-
tember in der zweiten und am 17. Oktober 1849
2 Siehe Arndt, im Archiv für öffentliches
Recht, Bd. III, S. 548.
Kommissionsbericht Nr. 102; ferner Ver-
hendlungen des Abgeordnetenhauses am 21. und
5. April 1898.
“ Hertel, Die preußische Ober-Rechnungs-
kammer, Berlin 1884, Arndt, im Archiv für
in der ersten Kammer, Arndt, I1. c. S. 557,
ferner die Denkschrift von P. Keichensr erger
ven Anlagen des Abgeordnetenhauses 1866,
6# In den Sten. Ber. des Abgeordnetenhauses
1866/67, Bd. I, S. 2.