Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

356 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
Wenn nun Vorschriften des älteren Rechts gemäß Art. 40 der Reichsverfaffung 
in Geltung geblieben find, so fragt sich, in welcher Eigenschaft dies ist, nämlich, 
ob a) als Verfassungs-, oder b) als einfache Gesetzes-, oder c) als Verordnungs- 
vorschriften, ob also ihre Abänderung zu erfolgen hat a) im Wege des verfassungs- 
ändernden Gesetzes, oder b) im Wege des einfachen Gesetzes, oder ch im Wege der 
Verordnung. 
Auf das Ersuchen des Abgeordneten Lasker am 7. Dezember 18701 nach 
einer authentischen Interpretation erwiderte Delbrück": „Der — Vorredner geht 
mit Recht davon aus, daß er die Gesammtheit derjenigen Abreden, welche hier 
bezeichnet find als der Zollvereinigungsvertrag vom 8. Juli 1867, für sehr um- 
fangreich hält. Es ist diese Gesammtheit von Verabredungen zum Theil admini- 
strativer Natur, zum Theil legislativer und zum Theil verfassungsmäßiger Natur. 
Ich glaube mit dem Inhalt dieser verschiedenen Verabredungen ziemlich genau be- 
kannt zu sein — meine frühere Stellung hat mich dazu geführt, — ich würde 
aber glauben, daß ich selbst, wenn ich nur nach diesen Gefichtspunkten den Inhalt 
dieser Verabredungen gruppiren sollte, lediglich nach meiner persönlichen Auffassung, 
dazu doch mehrere Tage ununterbrochenen Studiums brauchen würde. Ich glaube, 
daß alsdann eine Verständigung unter den betheiligten Regierungen, ob diese von 
mir entworfene Subsumption richtig sei oder nicht, einen noch viel größeren Zeit- 
raum erfordern würde und namentlich dazu führen könnte, eine Menge von Fragen 
discutabel zu machen, die von der Art find, daß fie nur dadurch zu Fragen 
werden, wenn man darauf gestoßen wird, sie als solche zu behandeln. Bei der 
Redaction des Artikels ist man davon ausgegangen, daß eine Erschöpfung der 
Materie, also eben eine solche Clasfification der einzelnen Bestimmungen in der 
That mit den größten Schwierigkeiten verbunden sei, mit Schwierigkeiten, die mit 
dem davon zu erwartenden Nutzen kaum im Verhältniß stehen würden. Wenn 
hier Art. 78 mit in Bezug genommen ist, so hat das darin seinen Grund, daß 
in der That in den Zollvereinigungsverträgen Bestimmungen enthalten find, welche 
sich ihrer ganzen Natur nach, und wenn man fie betrachtet vom Standpunkte der 
Bundesverfassung aus, unzweifelhaft als solche darstellen, die nicht im Wege der 
einfachen Gesetzgebung werden abgeändert werden können. Um nur ein Beispiel 
anzuführen: es enthält der Zollvereinsvertrag die Bestimmung, daß, trotzdem, daß 
die Zollvereins-Einnahmen gemeinschaftlich sind, die Strafgefälle, die Erlöse aus 
Confiscationen den einzelnen Staaten gehören als Früchte der Jurisdictionen; es ist 
ferner in diesen Verträgen das Begnadigungs= und Strafverwandlungsrecht in 
Fällen von Zollvergehen den Regierungen der einzelnen Staaten vorbehalten. Es 
find das Bestimmungen, welche, wenn man sie ändern wollte, wie ich glaube, un- 
zweifelhaft als verfassungsmäßige zu behandeln sein würden. Ich führe hier ein 
paar Beispiele an, um hierdurch anschaulich zu machen, welcher Gedanke bei der 
Redaction des Artikels obgewaltet hat. Alle die einzelnen Bestimmungen, die nach 
meiner Ansicht unter den Artikel 78 fallen, aufzuführen, bin ich augenblicklich nicht 
im Stande, und ich glaube auch, daß es insofern nicht von entscheidendem Interesse 
für die Beschlußnahme sein würde, als ich in dieser Beziehung, und wenn ich auf 
Einzelheiten dieser Art eingehen wollte, doch immer nur meine persönliche Meinung 
sagen könnte."“ 
Der Abgeordnete Miquel erwidertes, daß die Erklärung „eigentlich doch nur 
sehr wenig“ befriedigen könne, daß auf die Dauer die Frage, welche Bestimmungen 
als verfassungsmäßig und welche als einfache Gesetze anzusehen seien, nicht dunkel. 
und zweifelhaft bleiben dürfe, und daß dem deutschen Reichstage ein Vervollständigungs- 
  
vom 6. Mai 1841 zwischen allen damaligen 
Zollvereinsstaaten, Bd. III. S. 1 (C), vom 
19. Oktober 1841 (Anschluß von Braunschweig), 
Bb. III. S. 214 (H), vom 13. November 1841 
(Anschluß der kurhessischen Grasschaft Schaum- 
burg), Bd. III, S. 2 
zwischen den damaligen Zollvereinsstaaten mit 
Hannover und Oldenburg (Steuerverein), Bd. IV, 
84, vom 4. April 1853 
S. 1 (K), vom 16. Mai 1865 zwischen allen 
damaligen Vollvereinzstaaten, Bd. V, S. 43 (1). 
1 Sten. Ber. des Reichstages 1870, II. außer- 
ordentliche Session, S. 126. 
„eSEbendort; Bezold, Materialien, III, 
. 280. 
* Sten. Ber. S. 127. 
 
	        
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