Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

358 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
„Verwaltungsvorschriften“ tragen, weil sie nicht von der „Gesetzgebung“, sondern 
von der „Verwaltung“ erlassen sind 1. Die Vorschriften, wie Salz zu denaturiren 
ist, daß die sog. Kalisalze, und zwar unter welchen Bedingungen und Controlen, 
abgabenfrei find, unter welche Pofition des Zolltarifs diese oder jene Waare zu 
rechnen, wie das Tara= und wie das Nettogewicht der eingeführten Waaren zu 
berechnen ist, daß in Ausnahmefällen Gegenstände bei Strafe der Contrebande nicht 
ein= oder ausgeführt werden dürfen, in welchen Fällen und unter welcher Controle 
die Durchfuhr zollpflichtiger Waaren zollfrei erfolgen darf, welche Tabacksurrogate 
gestattet und wie fie zu besteuern find, dies und Aehnliches sind zweifellos Rechts- 
normen. 
Nach dem Inhalte der Festsfetzung?, also namentlich nach der Eigenschaft, 
ob Rechtsnorm oder nicht, kann daher nicht geprüft und festgestellt werden, ob der 
Gesetzesweg nothwendig oder ob der Verordnungsweg zulässig ist. Entscheidend 
kann daher nur die Form sein; Gesetz ist, was von der Gesetzgebung erlassen und 
als Gesetz publicirt ist, Verordnung ist Alles, bei dem dies nicht zutriffts. 
Hierzu tritt nun noch ein Besonderes hinzu. Der Reichsgesetzgeber kann, 
soweit die Zuständigkeit des Reiches geht, Alles, was er will, regeln. Der Bundes- 
rath oder ein anderes Organ des Reiches kann eine Materie nur rechtswirksam 
regeln, wenn ihm dazu in der Reichsverfassung bezw. in Reichs= oder Zollvereins- 
gesetzen Ermächtigung ertheilt ist. Daraus folgt, daß die Rechtsvermuthung 
gegen die Verordnung spricht, und daß Verordnungen nur statthaft fsind, wo sich 
die Statthaftigkeit auf eine verfassungs= oder gesetzmäßige Ermächtigung stützen 
läßt. Der Bundesrath darf gemäß Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung die zur 
Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen 
treffen; Gesetzesvorschriften darf er nicht erlassen, auch vorhandene nicht abändern. 
Die „Zollgesetze“ mit Einschluß der „Zolltarife“ und der „Zollordnung“, welche 
stets formell „Gesetze“ waren", darf er daher nicht ändern; ohne gesetzliche Er- 
mächtigung dürfen weder Zusätze noch Ausnahmen zu den Gesetzen getroffen 
werden 5. Der Umstand, daß eine Materie als „Gesetz“ oder als offener „Vertrag“ 
unter Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften erlassen und als „Gesetz“ ver- 
kündet ist, zeigt also, daß sie dem Verordnungswege unbedingt entzogen ist. Der 
Umstand, daß eine Materie in anderer Weise erlassen und publicirt ist, bedeutet 
und zeigt an, daß der Gesetzgeber sie für eine solche des Verordnungsrechts, d. h. 
als Verwaltungsvorschrift, angesehen hat und als solche behandeln lassen will. 
Wie weit der Gesetzgeber eine Materie seiner eigenen Regelung vorbehalten oder 
der Verordnung (der Verwaltung) überlassen will, hängt von seinem Ermessen ab. 
Die vorübergehenden und wechselnden wie die mehr ausführenden, zuweilen alle 
minder wichtigen Rechtsvorschriften hat er meist dem Verordnungswege überwiesen. 
Vorschriften legislativer Art, d. h. nur die als Gesetz vom Gesetzgeber erlassenen 
Vorschriften der Handels= und Zollverträge, können daher nur im Gesetzeswege 
geändert werden; alle anderen Vorschriften aber, also die, welche nicht in der Form 
von Gesetzen ergangen sind, insbesondere alle, welche in den „Schlußprotokollen“ 
zu den Verträgen oder den Landesverordnungsblättern, z. B. dem Preußischen 
Abgaben-Centralblatt oder im Reichs-Centralblatt, als „Verwaltungsvorschriften“ 
zu diesen Verträgen bekannt gegeben find, können dagegen im Verwaltungswege, 
d. h. vom Bundesrathe, und, (nur) wenn Solches besonders zugelassen ist, von den 
Landesbehörden (ohne Gesetz) geändert werden . 
  
1 Siehe oben S. 200. 1865, S. 641) noch besonders bestimmt. 
* Ansicht von Laband, II, S. 856, G. * Diese Verordnungen find unnmittelbare; 
Meyer, Verwaltungsrecht, II, S. 8321. dies ergiebt die Praxis und folgt aus Art. 7, 
* Siehe oben S. 162 und Denkschrift zum Ziff. 2 der Reichsverfassung; s. auch Arndt, 
Hollvereinsvertrage von 1865 zu den Verhand= Verordnungsrecht, S. 100 . Hänel, Organi- 
ungen des Abgeordnetenh. 1868, IV., S. 1358. satorische Entwicklung, S. 71 ff., meint, daß nur 
Siehe Arndt, Verordnungsrecht, S. 46. ein mittelbares Verordnungsrecht auf dem Ge- 
Letzteres ist in Art. 5 des Zellvereinigunge- biete des Zoll= und Steuerwesens bestehe. 
vertrages vom 16. Mai 1865 (Preuß. Ges.-S. 
 
	        
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