Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

380 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
Landesgesetzen ist meist vorgeschrieben, daß der Strafbescheid auch mit Gründen 
zu versehen ist. Der Strafbescheid hat die Wirkung, daß er wie eine gerichtliche 
Handlung die Verjährung unterbricht (Strafprozeßordnung § 459, Abs. 3), und 
zwar selbst dann, wenn er weder zugestellt noch bekannt gemacht ist. Die Unter- 
brechung wirkt vom Tage des Erlasses, nicht erst vom Tage der Insinuation oder 
Publication. 
Für die Beschwerde im Verwaltungswege gilt lediglich das Landesrecht. Das 
sächsische Gesetz vom 8. März 1879, §§ 5 und 10, versagt dem Angeschuldigten das 
Recht, den Recurs oder eine Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde ein- 
zulegen 2. Die übrigen Landesgesetze gestatten gegen den Strafbescheid ein weiteres 
Verfahren im Verwaltungswege, indeß mit der Maßgabe, daß der Antrag auf 
gerichtliche Entscheidung und der Recurs an die höhere Verwaltungsbehörde sich 
wechselseitig ausschließen 3, daß insbesondere auch dem Angeschuldigten ein jus 
variandi nicht zusteht 2. Die Frist zur Einlegung des Recurses beträgt in Preußen 
10 Tage, in den meisten übrigen Staaten eine Woche. Die in den Landesgesetzen 
für die Einlegung des Recurses vorgeschriebenen Fristen begrenzen nur das Recht 
des Angeschuldigten, bilden indeß keine Schranke für die höhere Verwaltungs- 
behörde. Diese kann, wenn die Sache nicht an das Gericht abgegeben ist, jederzeit 
und überall, selbst wenn ein Rechtsmittel im Verwaltungswege gar nicht eingelegt 
ist, den erlassenen Strafbescheid ganz oder theilweise aufheben. Dies wird ins- 
besondere geschehen, wenn inzwischen von der obersten Landesbehörde oder vom 
Bundesrathe oder vom Reichsgericht eine neue allgemeine, in ihrer Anwendung 
auf den Angeschuldigten diesem günstigere Entscheidung ergangen ist. 
Der Recurs ist bei der Verwaltungsbehörde einzulegen, welche die Unter- 
suchung geführt hat, auch wenn die höhere Instanz entschieden hat "“. Die Behörde 
hat, wenn mit der Anmeldung des Rerurses nicht zugleich dessen Rechtfertigung 
verbunden ist, den Angeschuldigten aufzufordern, die Ausführung seiner Vertheidigung 
in einem anzusetzenden Termine oder bis dahin schriftlich einzureichen 5. Nach 
Ablauf dieses Termins werden die Verhandlungen der Rerursinstanz zur Ent- 
scheidung vorgelegt. Diese Instanz ist, wenn in erster Instanz vom Hauptzollamt 
oder vom Hauptsteueramt entschieden war, die Provinzialbehörde (Provinzialsteuer- 
director), und wenn in erster Instanz von der Provinzialbehörde entschieden war, 
die Landescentralbehörde (der Finanzminister)). Das Rerursresolut, welchem 
Entscheidungsgründe beigefügt sein müssen, wird von der Recursinstanz, wenn 
dies die Centralbehörde ist, durchlaufend bei der Provinzialbehörde, der ersten Instanz 
zur Zustellung oder Publication an den Angeschuldigten übersandt ?7. 
Berechtigt zur Einlegung des Recurses ist auch der im Strafbescheid als 
subsidiarisch haftbar Erklärte 8, desgleichen Derjenige, dessen Eigenthum im Straf- 
bescheide als confiscirt erklärt worden ist. 
Ein Strafbescheid, gegen welchen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder 
der Recurs an die höhere Verwaltungsbehörde wegen Ablaufs der Frist nicht mehr 
statthaft ist, gilt als „rechtskräftig“. Die Vollstreckung der Strafbescheide bezw. 
der Recursresolute erfolgt durch die Verwaltungsbehörden, indeß nur soweit, als 
sie sich gegen das Vermögen richtet. Sie kann daher nur Geldstrafen, Ein- 
ziehung und Kosten zum Gegenstande haben. Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe, 
wo diese überhaupt statthaft ist?, richtet sich nach dem Gesetze, in welchem die 
  
18.6 !r preußisches Gesetz vom 23. Jannar s Preuß. Gesetz, 8 33, oldenburg. Gesetz, Art. 13, 
mecklenburg. Verordnungen, Art. 66. 
m# Hat also nur das Recht auf gerichtliches 7 Preuß. Gesetz, § 48. 
Gehör; s. auch Arndt, l. c. S. 306. #8 Preuß. Gesetz, 5 57. 
2 Vgl. preußisches Gesetz, § 46, württem- * Sie ist z. B. unstatthaft bei Zuwider- 
bergisches Gesetz vom 25. August 1879, Art. 23, handlungen gegen das Wechselstempelsteuer- 
mecklenburzische Verordnungen, Art.65, Arndt, gesetz vom 10. Juni 1869 (B.-G.-Bl. 1869, 
1. c. S. 306. S 193), § 15. Sie ist ferner unstatthaft in 
* 3. B. preußisches Gesetz, § 46, mecklen= Ansehung der Confiscation oder des Werthersatzes 
burgische Verordnungen, Art. 66. dafür; vgl. Vereinsgzollgesetz, §§ 153, 154, und 
Preuß. Geses. . 46, Abs. 2, mecklenburg. Entscheidung des Ober-Tribunals Berlin, in 
Verordn., Art. 67, oldenburg. Gesetz, Art. 12. Goltdammer's Archiv, Bd. XXII, S. 59. 
  
  
  
  
 
	        
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