8 42. Abrechnung zwischen Reich und Bundesstaaten. 403
beiden vermehrte und erhöhte und weil eine Verpflichtung, eine unbegrenzte
Zoll= und Steuererhöhung dem Reiche zuzusprechen oder neue Zölle einzuführen, in
der Reichsverfassung nicht begründet ist und keine Verfassungsvorschrift verbietet,
daß ein Reichsgesetz nicht auch den Bundesstaaten Zuwendungen machen (Steuern
bewilligen) darf. Die Zuständigkeit, Gesetze über Zölle und Taback zu geben, also
auch die Zoll= und Steuersätze zu erhöhen, hat das Reich auf Grund Art. 4,
Art. 35 und Art. 70 der Verfassung. Das Nächste ist, daß alle Einnahmen
den Bundesstaaten zufließen; nur kraft besonderer Rechtssätze (Art. 36 ff., 70)
fließen sie dyn Reiche zu. Der Reichsgesetzgeber konnte z. B. aus gollpolitischen
und anderen wirthschaftlichen Gründen neue Zölle und Steuern mit der Maßgabe
anordnen, daß ihr Betrag den Einzelstaaten ganz zu Gute kommt.
In späteren Gesetzen, z. B. im Gesetze vom 16. April 1896 (R.-G.-Bl. 1896,
S. 103), ist der Betrag, welcher der Reichskasse zufließt, über 130 Millionen hinaus
bis auf 143 Millionen erhöht worden.
Weiter als § 8 des Zolltarifgesetzes geht § 32 des Gesetzes, betreffend die Er-
hebung von Reichsstempelabgaben, vom 1. Juli 1881 (R.-G.-Bl. 1881, S. 185),
abgeändert durch Bekanntmachung vom 3. Juni 1885 (R.-G.-Bl. 1885, S. 179)
und durch die Bekanntmachung vom 27. April 1894 (R.-G.-Bl. 1894, S. 8381):
„Der Ertrag der Abgaben flieft in die Reichskasse und ist den einzelnen
Bundesstaaten nach dem Maßstabe der Bevölkerung, mit welcher fie zu den
Matrikularbeiträgen herangezogen werden, zu überweisen.“ Das Gleiche gilt von
der Vorschrift in § 39, Abs. 1 des Gesetzes, betr. die Besteuerung des Branntweins,
vom 24. Juni 1887 (R.-G.-Bl. 1887, S. 253): „Der Reinertrag der Verbrauchs-
abgabe ist den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe der matrikularmäßigen Be-
völkerung, mit welcher sie zum Gebiete der Branntweinsteuergemeinschaft gehören,
zu Überweisen.“ Es kann nicht zugegeben werden, daß diese beiden Vorschriften
Verfassungsänderungen enthalten, formell nicht, weil die Einnahmen aus der
Reichsstempelabgabe und der Branntwein verbrauchs steuer zunächst in die
Reichskasse fließen, materiell nicht, weil es sich in beiden Fällen um ganz neue
Steuern handelt. Sie find niemals als in die Reichskasse fließende und dort ver-
bleibende Steuern bewilligt worden, sondern von Anfang an nur mit der Be-
schränkung, daß sie alsbald den Bundesstaaten zufließen. Oder anders ausgedrückt:
es handelt sich in beiden Fällen um Steuern) die zwar der Reichsgesetzgeber
bewilligt hat, die er aber nicht als dem Reiche verbleibende Reichssteuern be-
willigt hat.
Die Abrechnung zwischen dem Reiche und den Bundesstaaten erfolgte früher
gemäß Art. 17 des Zollvereinigungsvertrages, jetzt gemäß Art. 39 der Reichs-
verfassung. Hiernach werden die von den Erhebungsgebühren der Bundesstaaten
nach Ablauf eines jeden Vierteljahres aufzustellenden Quartal-Extracte und die nach
dem Jahres= und Bücherschluß aufzustellenden Finalabschlüsse über die im Laufe
des Vierteljahres bezw. während des Rechnungsjahres fällig gewordenen Einnahmen
an Zöllen und nach Art. 38 zur Reichskasse fließenden Verbrauchsabgaben von den
Directivbehörden der Bundesstaaten nach vorangegangener Prüfung in Hauptüber-
sichten zusammengestellt, in welchen jede Abgabe gesondert nachzuweisen ist, und es
werden sodann diese Uebersichten an den Ausschuß des Bundesrathes für das
Rechnungswesen eingesandt. Der letztere stellt auf Grund dieser Uebersichten von
drei zu drei Monaten den von der Kasse eines jeden Bundesstaates der Reichskasse
schuldigen Betrag vorläufig fest und setzt von dieser Feststellung den Bundesrath
und die Bundesstaaten in Kenntniß, legt auch alljährlich die schließliche Feststellung
jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem Bundesrathe vor. Der Bundesrath
beschließt über diese Feststellung.
Die Buch= und Rechnungsführung der Zoll= und Steuerbehörden ist zunächst
Landessache; doch sind die Vorschriften, nach denen die Landesbehörden über die zur
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1 Näheres bei v. Aufseß, in Hirth's Annalen 1893, S. 389 ff.
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