412 Siebentes Buch. Finanzwesen.
leges Franckenstein bedeuten somit, daß die Reichsregierung entweder von dem
Reichstage im Etatsgesetze sich die Matrikularbeiträge bewilligen lassen muß oder
daß die einzelnen Bundesstaaten diese ohne Reichsgesetz (durch Nichtabzug bezw.
Nichteinforderung der Ueberweisungen) bezahlen. Diese leges haben somit juristisch
eine gewisse constitutionelle und zugleich föderative Bedeutung. Es braucht hierbei
kaum noch erwähnt zu werden, daß der Reichstag nicht frei in der Bewilligung
der Matrikularbeiträge, sondern gebunden ist, die zur Deckung der im Etat fest-
gestellten Ausgaben erforderlichen Einnahmen zu bewilligen. Formell betrachtet
bedarf die Reichsregierung zu jeder Erhebung von Matrikularbeiträgen wie zu jeder
Ausgabe der Bewilligung des Reichstages.
Gehen wir nun über zu den Ausgaben, so wirft sich von selbst die Frage
auf, ob das Reich lediglich befugt ist, diejenigen Ausgaben zu leisten, die ihm kraft
der verfassungsmäßig zugewiesenen Competenz obliegen, wie dies die Theorie an-
nimmt1, und andere, die außerhalb seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit liegen,
also nur dann leisten darf, wenn das bewilligende Reichsgesetz zugleich als ver-
fassungsänderndes Gesetz erlassen wird, oder ob das Reich alle Ausgaben durch
einfaches (Etats-)Gesetz leisten darf, welche zu leisten ihm gutdünkt. Es ist richtig,
daß das Reich Machtbefugnisse irgend welcher Art nur durch Uebertragung
von Seiten der Einzelstaaten, neue Befugnisse nur durch neue Uebertragung —
durch verfassungsänderndes Gesetz — erlangen kann; dagegen ist ihm die Befugniß,
Ausgaben irgend welcher Art zu leisten, ohne jedwede Einschränkungen auf den Zweck,
in den Artikeln 69 und 70 ertheilt worden. Oder anders ausgedrückt: die Be-
willigung von Geld zu Ausgabezwecken stellt an sich keinen Eingriff in Befugnisse
der Bundesstaaten dar und giebt dem Reiche kein neues imperium, keine neue Zu-
ständigkeit (in Ansehung der Staatsgewalt). Daher steht kein Bedenken entgegen,
daß das Reich Geld, zu welchem Zwecke auch immer, verausgabt: an die Bundes-
staaten durch Ueberweisung gemäß den leges Franckenstein, an den Kaiser durch
Bewilligung eines Dispositionsfonds, für eine Nordpol= oder Südpolexpedition,
eine Tief= oder Hochseeuntersuchung, für Zwecke irgend einer Weltausstellung, für
das Germanische Museum, für das Aquarium in Neapel, für Bücher, Alterthümer
und dergl. In Preußen z. B. brauchte die Krone, um eine neue Behörde mit
staatlichen Befugnissen einzurichten, nur des dazu benöthigten Geldes, d. i. nur der
gesetzlichen Geldbewilligung; im Reiche muß die neue Behörde mit neuen staatlichen
Befugnissen auf eine besondere gesetzliche Grundlage gestellt werden, und zwar muß
dieses Gesetz, da es die Machtbefugnisse der Bundesstaaten zu Gunsten des Reiches
verringert, ein verfassungsänderndes Gesetz sein. Geldausgaben als solche stellen
aber keine Competenzverschiebung dar.
Der Regel nach werden die Ausgaben des Deutschen Reiches dem deutschen
Volke und den einzelnen Bundesstaaten gleichmäßig zu Gute kommen und werden
gleichmäßig von ihnen getragen werden. Es bestehen indeß Ausnahmen, und zwar
im Wesentlichen die folgenden:
1) Da Bayern eine (äußerlich betrachtet) selbstständige Heeresverwaltung
hat, trägt Bayern die Kosten und Lasten seines Heerwesens, den Unterhalt der auf
seinem Gebiete belegenen festen Plätze und sonstigen Fortificationen einbegriffen,
ausschließlich und allein. Für sein Contingent und die zu demselben gehörigen
Einrichtungen wird ein gleicher Geldbetrag verwendet, wie nach Verhältniß der
Kopfstärke durch den Militäretat des Deutschen Reiches für die übrigen Theile
des Reichsheeres ausgesetzt wird. Dieser Geldbetrag wird im Reichsbudget für das
Königlich bayerische Contingent in einer Summe ausgeworfen. Seine Verausgabung
wird durch Specialetats geregelt, deren Aufstellung Bayern überlassen bleibt. Mit
dieser Maßgabe find die Ausgaben für das bayerische Heer nicht Gegenstand des
Reichshaushaltsgesetzes.
1 Vgl. G. Meyer, ereltungt II, 2 §5 des Bündnißvertrages mit Baye em, pon
S. 4058 G. Hänel, Staatsrecht, I ., 380, 23. November 1870 (B.-G.-Bl. 1871,
422, Zoͤrn, II, S. 694.