8 43. Der Juhalt des Etatsgesetzes u. s. w. 421
dieses Gesetzes zu verstehen jede Position, welche einer selbststän-
digen Beschlußfassung der Landesvertretung unterlegen hat und
als Gegenstand einer solchen im Etat erkennbar geworden ist. —
In die zur Vorlegung an den Landtag gelangenden Spezialetats find fortan ———,
bei den Befoldungsfonds die Stellenzahl und die Gehaltssätze, welche für die
Disposition über diese Fonds maßgebend find, aufzunehmen. — Eine Nachweisung
der Etatsüberschreitungen 1 und der außeretatsmäßigen Ausgaben ist jedesmal im
nächsten Jahre, nachdem sie entstanden find, den Häusern des Landtages zur nach-
träglichen Genehmigung vorzulegen. Die Erinnerungen der Rechnungslegung werden
durch diese Genehmigung nicht berührt“ (§ 19 des Gesetzes vom 27. März 1872).
Daß etwas eine Etatsüberschreitung im Sinne des Art. 104 der Preußischen
Verfassungsurkunde darstellt, bedeutet, daß es vom Landtage nachträglich genehmigt
werden muß, auch wenn die Ausgabe oder Mehrausgabe durch Cabinetsordre justi-
ficirt ist. Als Mehrausgaben gelten in diesem Sinne auch verspätete oder ver-
frühte Verrechnungen, da die Etatsfonds nur dazu da find, um die Ausgabe des-
jenigen Jahres zu bestreiten, für welches sie bestimmt find "#. Vor dem Gesetze vom
27. März 1872 lag nach der Auffassung der preußischen Staatsregierung eine
Etatsüberschreitung im Sinne des Art. 104 der Preußischen Verfassungsurkunde,
d. h. die Nothwendigkeit der Genehmigung durch den Landtag, nicht schon dann
vor, wenn nur ein Specialetat oder nur ein Titel eines solchen Specialetats über-
schritten war. Im Reiche galt schon vor der Anwendbarkeit des Gesetzes vom
27. März 1872 der in § 19 dieses Gesetzes ausgesprochene Grundsatz bezüglich der
Titel eines Specialetats. Der Bundeskanzler selbst hatte dies in einem Schreiben
an den Reichstag vom 24. September 1867 anerkannt, und der norddeutsche
Reichstag hatte dies in einer Resolution unter Zustimmung der Reichsregierung
am 28. März 1871 beschlossen S. Mit der formellen oder materiellen Natur des
Etatsgesetzes hat dies nichts zu thun, sondern mit dem Maße von Einfluß, welchen
die Regierung gewillt oder gezwungen ist dem Landtage einzuräumen. Es ist
begrifflich denkbar, daß auch unter dem Titel eines Specialetats in diesem Sinne"
alle Positionen des Etats verstanden werden, auch wenn fie nicht Gegenstand
einer besonderen Beschlußfassung des Reichs= bezw. Landtages gewesen.
§ 19 des preußischen Ober-Rechnungskammergesetzes kommt in seinem ganzen
Umfange für das Deutsche Reich zur Anwendung mit der Erweiterung, daß auch
außeretatsmäßige Einnahmen nachträglich genehmigt werden müssen.
So wenig wie über die nähere (formelle) Einrichtung und Befugnisse des
Rechnungshofes für das Deutsche Reich ist auch über das materielle Etatsrecht
im Reiche ein Gesetz zu Stande gekommen. Dagegen erging im letzteren Sinne in
Preußen das auch für das Deutsche Reich wichtige und im Wesentlichen maßgebende
Gesetz, betreffend den Staatshaushalt, vom 11. Mai 1898 (G.-S. 1898, S. 77).
Dieses bezweckt die gesetzliche Feststellung von Grundsätzen, welche für die Ver-
anschlagung, Führung und Controle des Staatshaushalts maßgebend sein sollen.
Es stellt sich überall auf den Boden des in Preußen bestandenen verfassungs-
mäßigen Zustandes und hat im Allgemeinen in Ansehung der bestehenden Rechte
der Krone, der Staatsgewalt und der Landesvertretung keinerlei neue Abgrenzung
oder sonstige Abänderung herbeigeführt. Es beabsichtigte lediglich, in den für seinen
Bereich in Betracht kommenden Beziehungen gesetzliche Normen für die Ausführung
und Ausgestaltung des bestehenden Rechts im Einzelnen aufzustellen und dadurch
zugleich mannigfache in der Praxis hervorgetretene Meinungsverschiedenheiten zwischen
der Ober-Rechnungskammer und den einzelnen Ressorts oder dem Landtage und
der Staatsregierung zu beseitigen. Den Vorschriften des Gesetzes find vielfach
die Bestimmungen der preußischen Instruction für die Ober-Rechnungskammer vom
1 D. h. im Sinne des preußischen Staats- S. 530. #
r usgabenüberschreitungen. é!. h. also in dem Sinne, da 2
echts A benüberschreit 8 D. h. also in dem S daß Ab
Siehe auch weiter unten S. 424 f. weichungen der nachträglichen Genehmigung be-
* Sten. Ber. des nordd. Reichstages 1869/70, dürfen.