Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

486 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
nicht mit dem Reichsfiskus zu thun. Der Zoll= und Steuerfiskus ist so- 
mit der Landesfiskust. Dieser ist also zu verklagen, wenn Jemand Zölle, 
Stempel und Steuern zurückfordert. Ganz anders steht der Fall bei den Militär- 
ausgaben. Diese werden (abgesehen von der Kriegsmarine) zwar auch von den 
Behörden der einzelnen Bundesstaaten geleistet. Indeß verlegen die Bundesstaaten 
die Ausgaben nicht aus eigenen Mitteln und erhalten dann diese Ausgaben zurück- 
erstattet. Sie leisten vielmehr die Ausgaben unmittelbar für Rechnung 
und aus Mitteln des Reiches, welches sie insoweit vertreten. Daher ist 
der Militärfiskus der Reichsfiskus'. Dies war er schon vor dem Gesetze 
vom 25. Mai 1873; denn entscheidend ist nicht, ob z. B. eine Kaserne dem Reiche 
oder einem Bundesstaate gehört, sondern nur, für wessen Rechnung die Ver- 
träge abgeschlossen werden. Bayern hat einen eigenen Militärfiskus. Zwar 
stellt ihm das Reich den Betrag zur Verfügung, welchen Bayern für seine Militär- 
ausgaben gebraucht. Indeß Bayern erhält diesen Betrag in einer Pauschsumme; 
im Uebrigen aber überläßt das Reich Bayern die eigene Militärverwaltung voll- 
ständig. Ersparnisse und Mehrausgaben berühren Bayern ganz allein. Die Ver- 
träge für die Militärverwaltung werden beim bayerischen Contingent nicht Namens 
des Reiches oder für Rechnung des Reiches, sondern im Namen und für Rechnung 
Bayerns abgeschlossen. 
Der Post= und Telegraphenfiskus ist der Reichsfiskus; in 
Bayern und Württemberg ist es der Landesfiskus. 
Die Theorie unterscheidet zwischen Finanz= und Verwaltungsver- 
mögens. Ersteres diene nicht direkt den Staatszwecken, sondern setze die Regierung 
durch seinen Kapitalwerth oder dessen Erträge in die Lage, einen Theil der für die 
Durchführung der Staatszwecke erforderlichen Kosten bestreiten zu können; es sei 
werbendes oder wirthschaftliches Vermögen. Unter Verwaltungsvermögen seien alle 
diejenigen Werthobjecte zu verstehen, welche den für die Erfüllung der staatlichen 
Zwecke oder Aufgaben erforderlichen Apparat bilden, also zum Dienste der Be- 
hörden und zum Betriebe der Staatsanstalten gehören: das Inventar des Staates. 
Als Subject des Finanzvermögens erscheine der Staat als Kapitalist, der sein Ver- 
mögen zu seinem pecuniären Vortheil ausbeute; als Subject des Verwaltungs- 
vermögens stelle der Fiskus sein Vermögen dem öffentlichen Dienst zu Gebote. 
Daraus ergebe sich, daß das Finanzvermögen im Wesentlichen unter den allgemeinen 
Regeln des Privatrechts stehe, während diese Regeln hinsichtlich des Verwaltungs- 
vermögens nicht unwesentlich durch verwaltungsrechtliche Sätze modificirt seien. 
Diese theoretische Unterscheidung trifft nach keiner Hinsicht zu. Zunächst giebt 
es kein sogenanntes Finanzvermögen, das ausschließlich finanziellen Zwecken dient, 
der Staat besitzt vielmehr Vermögensstücke nicht bloß, um daraus Einkünfte zu 
beziehen. Er soll zwar nicht lediglich öffentliche Interessen, aber er soll stets auch 
öffentliche Interessen vertreten. Er hat den ungeheuren Besitz an Eisenbahnen nicht 
hauptsächlich, um eine Kapitalanlage zu machen, sondern um damit dem öffentlichen 
Interesse und dem allgemeinen Verkehre zu dienen, namentlich um ein Monopol 
des Privatcapitals und eine Bevorzugung etwa der ausländischen Producte bei der 
Eisenbahnbeförderung zu verhüten. Dies gilt erst recht von der Post= und Tele- 
graphenverwaltung. Der Staat betreibt Bergwerke, Hütten und Fabriken nicht 
bloß, um damit Geld zu verdienen, sondern auch, um Musteranstalten für die Be- 
handlung der Arbeiter zu liefern, um auf die Preisstellung Einfluß zu haben, um 
die nationale Arbeit zu leiten und zu fördern. Es giebt auch keine Rechtsnormen, 
die etwa für Gerichtsgebäude, nicht aber für Grubengebäude gelten. Kann der 
Staat die einen ohne Genehmigung des Landtages nicht veräußern, so gilt dies 
auch von den anderen. Behaupten, der Staat könne wohl Verwaltungsgrundstücke, 
  
1 Ebenso die Erkenntnisse des Reichsgerichts 1888, Entsch. in Civils., Bd. XX. S. 148 ff.; 
vom 1. Juli 1881, 2. Februar, 9. April und ebenso Meyer, Verwaltungsrecht, II, S. 40. 
20. Mai 1884, Entsch. in Civilsachen, Bd. V, 2 Laband, II, S. 816, G. Meyer, Ver- 
S. 41, Bd. XI, S. 75, 93, 96. waltungsrecht, II, § 240, u. A. m. 
2 Erkenntniß des Reichsgerichts vom 9. März
	        
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