Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 45. Rechtscharakter des Reichsheeres und der Kriegsmarine. 449 
Frieden den Landesherren. „Der Reichsgewalt — § 10 — ausschließlich steht das 
Recht des Krieges und des Friedens zu.“ Also der vom Reiche erklärte Krieg ist 
zugleich und alsbald ein Krieg für jeden Bundesstaat. „Der Reichsgewalt steht die 
gesammte bewaffnete Macht Deutschlands zur Verfügung" (§ 11). „Das Reichs- 
heer besteht aus der gesammten Landmacht der einzelnen deutschen Staaten“ (§ 12). 
„Die Reichsgewalt ausschließlich hat in Betreff des Heerwesens die Gesetzgebung 
und die Organisation; sie überwacht deren Durchführung in den einzelnen Staaten 
durch fortdauernde Controle“ (§ 13). Den einzelnen Bundesstaaten sollten die 
Verfügung und der militärische Befehl über ihre bewaffnete Macht verbleiben, 
soweit sie nicht für den Reichsdienst in Anspruch genommen werden, ferner die Er- 
nennung der Befehlshaber und Officiere ihrer Truppen. Dem Reiche war die Er- 
nennung des Oberbefehlshabers nur für die aus mehreren Staaten combinirten 
Truppeneinheiten, im Kriege die Ernennung nur der Commandeure selbstständiger 
Truppenkörper und des Personals für das Hauptquartier übertragen. Endlich 
sollten den Einzelstaaten auch die gesammten Kosten des Militärwesens zur Last 
fallen, nur mit dem Anspruch aus Erstattung der Kosten bei Verwendung der 
Truppen zu Reichszwecken, wenn dadurch der festgesetzte Friedensstand überstiegen 
wurde. 
Der durchgreifende Unterschied zwischen der Verfassung des Deutschen Bundes 
und derjenigen vom 28. April 1849 besteht darin, daß der Deutsche Bund die 
Truppen seiner Contingente nicht zu seiner Verfügung hatte — sie sollten ihm erst 
durch die Contingentsherren zur Verfügung gestellt werden —, daß aber das Reich 
nach der Verfassung vom 28. April 1849 selbst und unmittelbar über die gesammte 
bewaffnete Macht verfügen durfte. Mochten die Officiere ernannt werden, und 
mochten die Kosten getragen werden, von wem auch immer, mochten die einzelnen 
Truppentheile noch so verschiedene Abzeichen tragen, im Ernstfalle war das Heer des 
Deutschen Reiches ein einheitliches Heer. Es focht in einer Front, es konnten nicht 
Theile des Heeres gegen andere Theile desselben Heeres fechten. Der Krieg war 
ein Krieg und derselbe Krieg für Alle. 
In den preußischen Grundzügen vom 10. Juni 1866 finden sich über die 
Kriegsmacht folgende Bestimmungen!: Art. VII. „Die Bundesgewalt hat das 
Recht, Krieg zu erklären und Frieden sowie Bündnisse und Verträge zu schließen. — 
Die Kriegserklärung hat bei feindlicher Invasion des Bundesgebiets oder bei 
kriegerischem Angriff auf dessen Küsten unter allen Umständen zu erfolgen; in den 
übrigen Fällen ist zur Kriegserklärung die Zustimmung der Souveräne von min- 
destens zwei Drittheilen der Bevölkerung des Bundesstaats erforderlich.“ Art. IX: 
„Die Landmacht des Bundes wird in zwei Bundesheere eingetheilt, die Nordarmee 
und die Südarmee. Im Krieg und Frieden ist Se. Majestät der König 
von Preußen Bundes-Oberfeldherr der Nordarmee, Se. Majestät der 
König von Bayern Bundes--Oberfeldherr der Südarmee."“ 
Im Bündnißvertrage vom 18. August 1866? mit beiden Mecklenburg, Weimar, 
Oldenburg, Braunschweig, Altenburg, Koburg-Gotha, Anhalt, beiden Schwarzburg, 
Waldeck, beiden Lippe, Reuß j. L., Lübeck, Bremen und Hamburg lautet Art. 4, 
Abs. 1: „Die Truppen der Verbündeten stehen unter dem Ober- 
befehl Seiner Majestät des Königs von Preußen.“ Dieser Vorschrift 
(überhaupt dem wesentlichen Inhalt des Vertrages vom 18. August 1866) unter- 
warfen sich in den Friedensverträgen auch die übrigen Mitglieder des Norddeutschen 
Bundes. Darüber, was die Absicht Preußens und seiner Verbündeten war, ist ein 
Zweifel ausgeschlossen. Preußen wollte auch die Truppen der Verbündeten unter 
seinem Befehle und zu seiner Verfügung haben. Sein Krieg sollte ihr Krieg sein, 
in seinem Kriege sollten alle Truppen auch seine Truppen sein. Preußens König 
sollte im Kriege wie im Frieden über alle Truppen des Norddeutschen Bundes den 
Befehl haben. Nicht der Landesherr, sondern der König von Preußen soll über die 
Truppen befehlen. Es soll nicht wieder vorkommen, daß ein Landesherr seine 
  
  
1 Bezold, Materialien, I, S. 64 ff. 2 Bezold, I, S. 23f. 
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 29
	        
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