§ 46. Qnellen des Militärrechts u. s. w. 463
ordnung vom 27. November 1872 (Württembergisches Verordn.-Bl. 1872, S. 308,
Militär-Gesetze, Bd. II, S. 108) eingeführt ist, die preußische Verordnung über die
Ehrengerichte der Offiziere im preußischen Heere vom 2. Mai 18741, die Ver-
ordnung über die Kriegsartikel vom 81. Oktober 1872, die Heer-Ordnung vom
28. September 18752. Alle diese Verordnungen stellen Rechtsnormen dar.
Bezüglich der Kriegsmarine gilt in Ansehung des Verordnungsrechts das
Nämliche wie vom Landheere mit der Maßgabe, daß die Verordnungen für die
Marine vom Reiche bezw. vom Kaiser mit unmittelbarer Wirkung erlassen
werden. Während alle deutschen Staaten vor Errichtung des Norddeutschen
Bundes stehende Heere hatten, besaß nur Preußen eine Kriegsmarine. Zwar ist
auch das deutsche stehende Heer ein einheitliches, indeß erfolgen die Bewaffnung,
Ausbildung, die Verwendung der Kosten und der Erlaß von Verordnungen zwar
nach einheitlichen und den Einzelstaaten vorgeschriebenen Normen, aber, äußerlich
betrachtet, von diesen Einzelstaaten. Dagegen ist die Kriegsmarine eine Kaiserliche.
Vom Kaiser werden die auf die Marine bezüglichen militärischen Ordres wie die
erforderlichen An= und Verordnungen erlassen. Aus den Worten in Art. 53:
„Die Organisation und Zusammensetzung der Marine liegt dem Kaiser ob“ ergiebt
sich 2l, daß die Organisation der Kriegsmarine im Gegensatze zum Landheer von
Reichswegen nicht nur geregelt, sondern auch durchgeführt werden soll. Es ergiebt
sich daraus ferner, daß die Organisation der Kriegsmarine und deren Präsenzstärke
— im Gegensatze zum Landheere — nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestellt
(abgesehen von dem Gesetze, betreffend die deutsche Flotte, vom 10. April 1898,
R.-G.-Bl. 1898, S. 165), sondern dem Verordnungswege üÜberlassen worden
ist. Selbstredend ist der Kaiser bei Ausübung des ihm hiernach allgemein zu-
stehenden Verordnungsrechts an die besonderen in Ansehung der Kriegsmarine
getroffenen (allerdings wenigen) gesetzlichen Bestimmungen, z. B. das Kriegsdienst-
gesetz, das Etatsgesetz, das Flottenorganisationsgesetz, gebunden. Das Kaiserliche
Verordnungsrecht schließt in sich den Erlaß von organisatorischen Verordnungen,
z. B. den Allerhöchsten Erlaß vom 1. Januar 1872, betreffend die oberste Marine-
behörde (Kaiserliche Admiralität) (R.-G.-Bl. 1872, S. 5), das durch Erlaß vom
18. Juni 1872 genehmigte Organisationsreglement (Ministerialbl. für die innere
preußische Verwaltung 1872, S. 147), ferner den Erlaß vom 30. März 1889
(R.-G.-Bl. 1889, S. 47), der in Ansehung der Kriegsmarine das Obercommando
von der Verwaltung trennte“.
Das Kaiserliche Verordnungsrecht begreift den Erlaß von Rechtsvor-
schriften in sich, insoweit als vor der Bundesverfassung dem Könige von Preußen
auf dem Gebiete der Kriegsmarine das Verordnungsrecht zustand. In Preußen
war das Kriegsmarinewesen vorher durch das Organisationsreglement vom 7. Juli
1854 (G.-S. 1854, S. 381) normirt, das über Disciplinarwesen, Gerichtsbarkeit
und sonst Rechtsvorschriften aufstellte. Thatsächlich enthalten denn auch die vom
Kaiser für die Kriegsmarine getroffenen Anordnungen Rechtsnormen, so z. B. der
bereits angezogene Erlaß vom 18. Juni 1872 und der Erlaß, betreffend das
erste Militärgericht in Marinesachen, vom 283. Mai 1876 (R.-G.-Bl. 1876,
. 165).
Was die Form, die Gegenzeichnung und die Verkündung der Ver-
ordnungen auf dem Gebiete des Kriegswesens anlangt, so werden diejenigen für
die Kriegsmarine vom Kaiser, von Reichswegen und unter Gegenzeichnung
des Reichskanzlers doder seines Vertreters bezw. des commandirenden Admirals
bekannt gemacht.
Die Verordnungen, die aus Grund des Art. 63 in das übrige Bundesgebiet ein-
geführt waren und eingeführt wurden, sind in Preußen als preußische vom Könige er-
gangen, von Preußen (z. B. im preußischen Armee-Verordnungsblatt, in preußischen
1 v. Helldorf's Dienstvorschriften, IV. 2 Arndt= Verordungsrecht, v. Seydel, in
Abth., S. 228 4 · Hirth's Annalen 1875, S. 1128.
Militärgesetze des Deutschen Reiches, Berlin 4 Siehe weiter unten.
1877, II, S. 246. 5 Siehe weiter unten.