Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 47. Der Kaiser und das Heer. 469 
und Entlassungsbestimmungen für Officiere, Unterofficiere u. s. w.), gelten zunächst 
nur für das preußische Heer. Sie ergehen in der Form preußischer An= und 
Verordnungen, Befehle, Reglements u. dergl. Der Kaiser darf aber und muß — 
weil er für das ganze deutsche Heer die diesbezügliche Berechtigung und Verpflichtung 
hat — fie auch in das sächsische und württembergische Contingent einführen. Die 
Einführung geschieht, äußerlich betrachtet, durch die sächsischen und württembergischen 
Contingentsherren, denen direkt oder indirekt auf dem Wege der Mittheilung an 
den Ausschuß und von dem Ausschusse des Bundesraths für das Heerwesen das 
Erforderliche bekanntzugeben ist. Der Kaiser ist berechtigt, sich in Person oder durch 
Dritte davon zu überzeugen, ob die preußischen Vorschriften ein= und ausgeführt 
find, ob insbesondere die Truppen gehörig bewaffnet, ausgebildet, bekleidet, com- 
mandirt find u. s. w. Er braucht, wenn ihm dies nicht der Fall zu sein scheint, 
nicht erst die Entscheidung des Bundesraths anzurufen, wie dies sonst der Fall ist 
(vgl. Art. 17 in Verbindung mit Art. 7, Ziff. 3 der Reichsverfassung). Vielmehr 
hat er nicht nur das Recht, sondern er hat sogar die Pflicht, selbst und unmittelbar 
Sorge zu tragen, daß der Vorschrift in dem Art. 63, Abs. 8 der Reichsverfassung Genüge 
geschieht. Er allein hat zu befinden, ob dies geschieht, und er muß, wenn dies 
nicht geschehen ist, die Abhülse bewirken. Es wäre nun das Einfachste, wenn er 
unmittelbar den sächsischen und württembergischen Truppen befehlen würde, 
Dieses oder Jenes zu thun oder zu unterlassen, oder wenn er unmittelbar ihm un- 
geeignet erscheinende, ihren Pflichten nicht gewachsene Officiere entlassen würde. 
Dies soll jedoch — wenigstens zunächst — nicht geschehen. Vielmehr soll äußere 
Rücksicht auf die Contingentsherren genommen werden. Daher bestimmt Art. 4 
der Militärconvention mit Sachsen vom 7. Februar 1867 und Art. 9, Abf. 2 
der Militair-Konvention mit Württemberg vom 21./25. November 1870: „Die 
in Folge solcher Inspizirungen bewirkten sachlichen und persönlichen Mißstände 
wird der Bundesfeldherr dem Könige von Württemberg mittheilen, welcher Seiner- 
seits dieselben abstellen und von dem Geschehenen alsdann dem Bundesfeldherrn 
Anzeige machen läßt.“ Es ist nicht denkbar, daß die Könige von Sachsen und 
Württemberg einem diesbezüglichen kaiserlichen Ersuchen nicht sofortige Folge geben; 
sollte dies eintreten, so ist der Kaiser so berechtigt wie verpflichtet, selbst und un- 
mittelbar das Erforderliche zu befehlen. 
5) „Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Eintheilung 
der Kontingente des Reichsheeres, sowie die Organisation der Landwehr, und hat 
das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die Garnisonen zu bestimmen, sowie die 
kriegsbereite Aufstellung eines jeden Theils des Reichsheeres anzuordnen“ (Art. 63, 
Abs. 4 der Reichsverfassung). Außerdem beruft der Kaiser die Reserve, Land- 
und Seewehr wie den Landsturm, Gesetz, betreffend die Verpflichtung zum Kriegs- 
dienste, vom 9. November 1867 (B.-G.-Bl. 1867, S. 131), § 8, Abs. 1, und § 16. 
Unter dem Rechte des Kaisers, den Präsenzstand zu bestimmen, ist zweifellos 
die Befugniß begriffen: 1. innerhalb und unter der gesetzlichen Friedenspräsenzstärke 
(Art. 60 der Reichsverfassung und weiter unten) die Zahl der bei den Fahnen be- 
findlichen Mannschaften zu bestimmen. Er kann demgemäß bestimmen oder durch 
Dritte (Generalcommandos, Generalinspectionen) bestimmen lassen, an welchem Tage 
die ausgedienten Mannschaften zu entlassen, sodann wieviel Rekruten normal bei 
den einzelnen Truppentheilen einzustellen sind, und wieviel überetatsmäßig zur 
Deckung von Abgängen durch Tod, Unbrauchbarkeit u. s. w. von Mannschaften, 
serner von Abgaben activer Mannschaften an Bezirkscommandos, als Bäcker u. f. w. 
über den Normalbedarf einzustellen sind 1. Sodann ist in dem Rechte, den Präsenz- 
stand zu bestimmen, die Befugniß erhalten, die durch die gesetzlich festgestellte 
Friedenspräsenzstärke des gesammten Heeres bestimmte Totalziffer nach Maßgabe 
des Art. 58 der Reichsverfassung in die einzelnen Contingentsziffern zu zerlegen. 
Fraglich und später zu beantworten ist, ob der Kaiser den Präsenzstand auch in 
dem Falle feststellen kann, wenn kein Gesetz darüber zu Stande gekommen ist. 
  
  
  
1 Bgal. 9 B. Preuß. Armeeverordnungsblatt gesammten Kriegswesens von allen Bundes- 
1897, S. 29 ff. staaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu 
2 Dieser Artikel bestimmt, daß die Lasten des tragen sind.
	        
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