470 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
In der Vorschrift des Abs. 4 in Art. 63 ist das unbedingte Recht enthalten,
im Kriege wie im Frieden, und zu welchem Zwecke auch immer, die kriegsbereite
Aufstellung des Heeres und eines jeden Theiles desselben anzuordnen. Dieses Recht
ist zugleich ein ausschließliches und in § 6 des Gesetzes, betreffend die Verpflichtung
zum Kriegsdienste, vom 9. November 1867 (B.-G.-Bl. 1867, S. 181) wiederholt.
Daß die commandirenden Generäle (§ 8, Abs. 1 das.) Landwehr und Reserve ein-
berufen dürfen für den Fall des Kriegszustandes, ist nur eine scheinbare Anomalie,
da der Kriegszustand vom Kaiser erklärt oder doch aufrechterhalten, also gewollt
sein muß . In Art. 9 der Militärconvention mit Sachsen und in Art. 14 der
Militärconvention mit Württemberg ist vorgesehen, daß die Verstärkung der
Truppen durch Einziehung der Beurlaubten, sowie die Kriegsformation derselben
und endlich deren Mobilmachung von den Anordnungen des Bundesfeldherrn ab-
hängen, und daß solchen Anordnungen allzeit und im ganzen Umfange Folge zu
leisten ist. Der Kaiser ist hiernach nicht verpflichtet, solche Anordnungen durch
Vermittelung der sächsischen oder württembergischen Militärverwaltung zu erlassen.
Mit der kriegsbereiten Aufstellung des Heeres oder eines Heerestheiles gehen alle
Rechte des oder der Contingentsherren ohne Weiteres auf den Kaiser über ?.
Wenn auch den Anordnungen des Kaisers bezüglich der Einstellung und
Entlassung der Truppen, der Vertheilung unter die Truppengattungen, der kriegs-
bereiten Aufstellung u. s. w. unbedingte Folge zu leisten ist, so ist der Kaiser seiner-
seits nicht uneingeschränkt frei in Dem, was er anordnet. Vielmehr muß der Kaiser
die Verfassung, die Gesetze und die Conventionen beachten. Geetliche Vorschriften
bestehen nicht für die Kriegsformation des Heeres, sowie die Organisation des
Landsturmes, auch im Allgemeinen nicht für die Kriegsmarine. Dagegen find die
Formationen des stehenden Heeres im Uebrigen durch die Gesetze geregelt 5.
Das Recht, die Garnisonen zu bestimmen, welches der Kaiser in Art. 63, Abf. 4
erhalten hat, das sog. Dislocationsrecht, ist eingeschränkt durch die Militär-
conventionen.
In Art. 5 der Militärconvention mit Sachsen erklärt der Kaiser, „für die
Dauer friedlicher Verhältnisse“ von seinem Rechte nur Gebrauch zu machen, „wenn
Seine Majestät (der Kaiser) sich im Interesse des Bundes-(Reichs-) Dienstes zu einer
solchen Maßregel bewogen fühlt“, alsdann aber will sich der Kaiser vorher mit
dem Könige von Sachsen in Vernehmen setzen. Art. 6 der Militärconvention mit
Württemberg bestimmt, daß unbeschadet der dem Bundesfeldherrn gemäß der
Bundesverfassung zustehenden Rechte der Disponirung über alle Bundestruppen und
ihrer Dislocirung das württembergische Armeecorps im eigenen Lande dislocirt sein soll;
eine hiervon abweichende Anordnung des Bundesfeldherrn, sowie die Dislocirung anderer
Deutscher Truppentheile in das Königreich Württemberg soll in friedlichen Zeiten
nur mit Zustimmung des Königs von Württemberg erfolgen, sofern es sich nicht
um Besetzung Süddeutscher oder Westdeutscher Festungen handelt.
In der Militärconvention mit Hessen vom 13. Juni 1871 (Heffisches
Regierungsblatt 1871, S. 341) ist unter Art. 6 vereinbart, daß das hessische Con-
tingent für die Dauer des Friedens innerhalb des Großherzogthums Garnison be-
halten und daß das kaiserliche Dislocationsrecht insolange nur vorübergehend und
in außergewöhnlichen, durch militärische oder politische Interessen gebotenen Fällen
nach vorgängigem Benehmen mit dem Großherzog zur Anwendung gebracht werden
soll. Andere Truppen sollen in Hessen nur dann Garnisonen angewiesen erhalten,
wenn dies (wie in Mainz) ähnliche Rücksichten fordern. Im Wesentlichen gleiche
Bestimmungen finden sich in Art. 4 der Militärconvention mit Baden vom
25. November 1870, mit Oldenburg vom 15. Juli 1867, mit Anhalt vom
16. September 1873 und Braunschweig vom 9./18. März 1886.
In den Militärconventionen mit Mecklenburg-Schwerin vom 24. Juli
1868 bezw. 19. Dezember 1872 und Mecklen burg-Strelitz vom 9. November
1867 bezw. 23. Dezember 1872 ist hinsichtlich der Ausübung des keaiserlichen
17 Siehe auch weiter unten, S. 471 ff.
. * Siehe weiter unten, § 49.
2 Siehe auch weiter unten, S. 471 ff. und § 48.