486 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
ihren eigenen Truppen befehlen, bei den anderen, die in ihrem Staate stehen, den
Commandeur requiriren, daß vor bestimmten Gebäuden (z. B. vor den Straf-
anstalten, Münzstätten, Reichsbankanstalten) militärische Posten gestellt werden.
Das entsprechende Recht haben sie, zu befehlen oder zu requiriren, daß die in
ihren Staaten dislocirten Truppen im Interesse der öffentlichen Ordnung ein-
schreiten, daß z. B., wenn die Hamburger Polizei bei einem Tumult zur Wieder-
herstellung oder zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung nicht ausreicht, das in
Hamburg stehende (preußisch-hanseatische) Regiment eingreift. In der Sache be-
deutet dies nicht viel mehr als das Recht, das auch viele Civilbehörden haben.
So können Landräthe, Regierungs= und Oberpräsfidenten über die dem Militär
angehörende Gendarmerie verfügen. Gerade der Umstand, daß die Bundesfürsten
„zu polizeilichen Zwecken“ ihre Truppen verwenden dürfen, zeigt, daß fie solche zu
militärischen Zwecken nicht verwenden dürfen.
In welchen Fällen Militär für polizeiliche Zwecke verwendet werden kann,
hängt von dem Landesrechte ab. In Preußen kommen Art. 36 der Verfassungs-
urkunde, § 48, Nr. 3 der Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Pro-
vinzial- 2c. Behörden vom 26. Dezember 1808 (Preuß. Ges.-S. von 1806—1810,
S. 464), ferner § 150, Thl. I, Tit. 24 der Allgemeinen (preußischen) Gerichts-
ordnung, § 758, Abs. 8 der Reichs-Civilprozeßordnung, sodann für öffentliche Aufläufe
und Tumulte die Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und
der dem Gesetze schuldigen Achtung vom 17. August 1835 (Preuß. G.-S. 1835, S. 170)
zur Anwendung. Ebenso beantwortet sich nach dem Landesrechte, ob und wann
die Truppen von den Waffen Gebrauch machen dürfen, in Preußen nach dem Ge-
setze über den Waffengebrauch des Militairs vom 20. März 1837 (Ges.-S. 1837,
S. 60), ausgedehnt auf die 1866 erworbenen Landestheile durch die Königliche
Verordnung vom 25. Juni 1867 (G.-S. 1867, S. 921). Die Verordnung vom
17. August 1885 und das Gesetz vom 20. März 1837 find in Vollzug des
Art. 10 der Militärconvention mit Württemberg vom 21./25. November 1870
durch Erlaß vom 27. Mai 1878 (Württemb. Regierungsbl. 1878, S. 125) ein-
geführt worden. Nach diesen beiden Gesetzen verfahren die preußischen Truppen
auch in den Staaten, deren Truppen sich im preußischen Contingent befinden.
Wird das Militär zum Beistand einer Civilbehörde verwendet, so hat nach § 8
des Gesetzes vom 20. März 1837 nicht die Civilbehörde, sondern das Militär und
dessen (Militär-) Befehlshaber zu bestimmen, ob und in welcher Art zur Anwendung
der Waffen geschritten werden soll. Die Civilbehörde, welche militärische Unter-
stützung nachsucht, muß den Gegenstand und Zweck, wozu sie die militärische Hülife
verlangt, so bestimmt angeben, daß das Militär seine Anordnungen mit Zuverlässfigkeit
treffen kann.
In Bayern kommen die Vorschriften des Gesetzes vom 4. Mai 1851 und
die Garnisoninstruktion vom 5. April 1885 für die Verwendung von Militär auf
Requisition von Civilbehörden zur Anwendung!. Für Bayern gilt Art. 66 der
Reichsverfassung nicht. Zweifellos werden aber bayerische Truppen, wenn sie z. B.
in den Reichslanden von der Civilbehörde requirirt werden, ihre Mitwirkung —
auch ohne rechtliche Verpflichtung — nicht versagen.
„Wo nicht besondere Konventionen ein Anderes bestimmen, ernennen die Bundez-
fürsten, beziehentlich die Senate die Offiziere ihrer Kontingente, mit Einschränkung des
Artikels 64“ (Reichsverfassung Art. 66, Abs. 1, Satz 1). Durch die abgeschlossenen
Militärconventionen haben die sämmtlichen Bundesstaaten mit Ausnahme von Bayern,
Sachsen und Württemberg das Recht zur Ernennung der Officiere ihrer Con-
tingente auf den Kaiser übertragen. Wo fie aber selbst dieses Recht behalten haben, ist
es in der Sache kaum mehr als ein Ehrenrecht. Denn die Bestimmungen nänmlich
über die Zulassung zu den Stellen und Aemtern des Heeres erläßt der Kaiser
(Reichs-Militärgesetz vom 2. Mai 1874, § 7, Abs. 1)2. Die Landesherren haben
also ihre Officiere nach den vom Kaiser gegebenen Vorschriften ausbilden zu lassen,
–
1 Van Calker, Das Recht des Militärs zum Siehe weiter unten.
administrativen Waffengebrauche. München 1888.