Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

488 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
Reichsverfassung zuwiderlaufen, sind in den Conventionen thatsächlich nicht enthalten. 
Mit Recht sagt Seydel (Commentar, S. 376): „Die Verfassung geht davon 
aus, daß der Kaiser diese Rechte pflichtmäßig gebrauchen würde, und daher darf 
der Kaiser auch für sich die Vermuthung beanspruchen, daß er nur solche vertrags- 
mäßige Verbindlichkeiten bezüglich der Ausübung dieser Rechte auf sich nimmt, 
die mit der Reichsverfassung vereinbarlich sind, wie dies in der That auch bei 
allen Militärconventionen der Fall ist. Die Rechtsgültigkeit solcher Abreden in 
Zweifel zu ziehen, streift an juristische Pedanterie.“ Die Abrede, daß z. B. in 
Friedenszeiten die anhaltischen Landeskinder in anhaltischen Landen ihrer Militär- 
pflicht genügen, oder daß hier und da eine Garnison errichtet oder bestehenbleiben 
soll, sind nicht Modificationen, Abänderungen der Reichsverfassung, sondern Fälle 
der Anwendung des dem Kaiser in Art. 63, Abs. 4 eingeräumten Rechtes. Wenn 
ferner die Reichsverfassung nicht verlangt, daß die Truppen dem Kaiser den 
Fahneneid leisten und es ihr genügt, wenn sie in diesem Fahneneide dem Kaiser 
unbedingte Folge geloben, so widerspricht es nicht der Verfassung, wenn die 
Bundesstaaten weitergehen und in Militärconventionen einräumen, daß die Officiere 
ihrer Contingente dem Kaiser selbst den Fahneneid leisten. Conventionen, welche 
der Reichsverfassung zuwiderlaufen würden, können verbindliche Kraft nur durch 
verfassungsungsänderndes Reichsgesetz erlangen. Die mit Oldenburg, den 
thüringischen Staaten, Anhalt, Waldeck, Lippe, Schaum- 
burg-Lippe und Lübeck im Jahre 1867 abgeschlossenen Conventionen find 
am 12. Oktober 1867, „nachdem der Bundesrath den darin enthaltenen Ver- 
abredungen über die Höhe der Beiträge zur Bestreitung des Aufwandes für das 
Bundesheer seine Zustimmung ertheilt hat, zur verfassungsmäßigen Zustimmung zu 
diesen Verabredungen“ dem Reichstage vorgelegt und von diesem in der Sitzung 
am 22. Oktober 1867 genehmigt worden. Die Zustimmung des Bundesraths und 
des Reichstages bezog sich also nur auf die Beiträge, auf die finanziellen Zu- 
geständnisse, welche für die erste Zeit des Bestehens des Norddeutschen Bundes 
diesen Staaten gemacht waren. Die übrigen Conventionen find dem Reichtsage nur 
zur Kenntniß mitgetheilt worden. · 
Ob die Landesherren allein Militärconventionen abschließen oder ob hierzu 
die Genehmigung ihrer Landesvertretung nöthig ist, hängt vom Landesrecht ab. 
Wenn in einer Convention Preußen besondere Lasten zu Gunsten eines anderen 
Bundesstaates, z. B. Waldecks, übernimmt, so bedarf die Convention zu ihrer 
Gültigkeit nach Art. 48 der Preußischen Verfassungsurkunde der Zustimmung des 
Landtages. 
Die erste Militärconvention (mit Sachsen) datirt vom 7. Februar 1867; sie ist 
mithin älter als die Verfassung des Norddeutschen Bundes, indeß jünger als der 
zwischen den Bevollmächtigten der verbündeten Regierungen vereinbarte „Entwurf der 
Verfassung des Norddeutschen Bundes“ 1. „Um die Bestimmungen (des Entwuris) der 
Verfassung des Norddeutschen Bundes über das Bundeskriegswesen den besonderen 
Verhältnissen des Königreichs Sachsen anzupassen“, ist der König von Preußen 
als Bundesfeldherr mit dem Könige von Sachsen übereingekommen, solche, wie 
folgt, zu ergänzen und auf der Grundlage des Friedensvertrages vom 21. Oktober 
1866 eine besondere Verabredung zu treffen, welche unabhängig von allen ferneren 
darauf bezüglichen Verhandlungen in Kraft treten und bleiben soll. Art. 1: 
„Die Königlich Sächsischen Truppen formiren ein in sich geschlossenes Armeekorps, 
das in den vier Waffen, Trains und Administration nach den Verhältnissen eines 
Preußischen Armeecorps zusammengesetzt und gebildet ist und welches ebenso wie 
dieses im Falle der Mobilmachung oder Kriegsbereitschaft die entsprechende Anzahl 
von Ersatz= und Besatzungstruppen bildet.“ Nach dem Gesetze vom 25. März 1899 
(R.-G.-Bl. 1899, S. 215) wird Sachsen bis zum Schlusse des Jahres 1902 zwei 
Armeecorps bilden. Die sächsischen Truppen, so bestimmt Art. 1 der Convention 
weiter, führen ihre eigenen Fahnen und Feldzeichen. Die Divisionen, Brigaden, 
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1 Siehe oben S. 29.
	        
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