Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

494 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
vom 23. November 1870 unter III, § 5 zur Anwendung kommen. Für und in 
Bayern gilt also vor dem Abschnitt XI der Reichsverfassung als Sonderrecht im 
Sinne des Art. 78, Abs. 2 der Reichsverfassung, was unter Ziff. III, § 5 des 
Vertrages vom 23. November 1870 (B.-G.-Bl. 1871, S. 9) vereinbart ist!. In 
§ 7 an letztgenannter Stelle ist noch ausdrücklich vorgeschrieben, daß die in den 
vorstehenden §§ 1 bis 6 enthaltenen Bestimmungen als ein integrirender Bestand- 
theil der Verfassung anzusehen find und daß in allen Fällen, in welchen zwischen 
diesen Bestimmungen und dem Texte der Deutschen Verfassuygsurkunde eine Ver- 
schiedenheit besteht, für Bayern lediglich die ersteren Geltung und Verbindlichkeit haben. 
Hieraus ergiebt sich, daß zwar die Einschränkung in Betreff des Militärwesens 
in Bayern nach der Verfassung nur zum XI. Abschnitt gemacht ist, also danach 
z. B. nicht Geltung zu finden braucht auf den Abschnitt II von der Reichsgesetz- 
gebung und Abschnitt III von den Organen des Reiches, daß indeß nach der pofi- 
tiven Vorschrift in III, § 7 des Bündnißvertrages die dort in den 8§ 1 bis 6 
getroffenen Abmachungen unbedingt und vor der Reichsverfassung, und zwar selbst 
dann gelten, wenn sie z. B. den Abschnitten II und III der Reichsverfassung wider- 
sprechen würden. Andererseits zeigt die Reichsverfassung, daß nach der Auffassung 
der Contrahenten die Sonderstellung Bayerns die Abschnitte II und III nicht 
berührt; denn sonst würde der Zusatz nicht zum XI. Abschnitt der Verfaffung 
besonders, sondern allgemein gemacht werden. Hierin kann ein Auslegungs- 
mittel gefunden werden. 
Im Bündnißvertrage III, § 5 ist nun bestimmt: „Anlangend die Artikel 57 
bis 68 von dem Bundes-Kriegswesen, so findet Artikel 57“ (von der allgemeinen 
Wehrpflicht) „Anwendung auf das Königreich Bayern; Artikel 58“ (von der Ge- 
meinschaftlichkeit der Kosten für das Militärwesen) „ ist gleichfalls für das König- 
reich Bayern gültig. Dieser Artikel erhält jedoch für Bayern folgenden Zusatz: 
Der in diesem Artikel bezeichneten Verpflichtung wird von Bayern in 
der Art entsprochen, daß es die Kosten und Lasten seines Kriegswesens, 
den Unterhalt der auf seinem Gebiete belegenen festen Plätze und sonstigen 
Fortifikationen einbegriffen, ausschließlich und allein trägt.“ 
Indeß, so heißt es in III, § 5 unter II, „Bayern verpflichtet sich, für sein 
Kontigent und die zu demselben gehörigen Einrichtungen einen gleichen Geldbetrag 
zu verwenden, wie nach Verhältniß der Kopfstärke durch den Militair -Etat des 
Deutschen Bundes für die übrigen Theile des Bundesheeres ausgesetzt wird. — 
Dieser Geldbetrag wird im Bundesbudget für das Königlich Bayerische Kontingent 
in einer Summe ausgeworfen. Seine Verausgabung wird durch Spezial-Etats 
geregelt, deren Aufstellung Bayern überlassen bleibt. — Hierfür werden im All- 
gemeinen diejenigen Etatsansätze nach Verhältniß zur Richtschnur dienen, welche für 
das übrige Bundesheer in den einzelnen Theilen ausgeworfen find.“ 
Ueber die Auslegung dieser Vorschriften besteht in der Praxis kaum ein Streit. 
Die Kosten des gesammten Kriegswesens des Reichs find von allen Bundesstaaten, 
Bayern mit eingeschlossen, gleichmäßig zu tragen. Bayern ist verpflichtet, bei den 
von ihm zu machenden Militärausgaben keine Ersparnisse auf Kosten der Aus- 
bildung, Ausrüstung, Vollzähligkeit und dergl. zu machen (siehe auch § 5, II. 
Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht (§ 5, IIl), sich davon durch Inspectionen 
zu überzeugen. Indeß soll Bayern den für seine Militärausgaben entfallenden 
Geldbetrag in einer Summe vom Reiche erhalten. Der Geldbetrag wird nach 
Verhältniß der Kopfstärke der bayerischen zu den übrigen Reichtstruppen durch das 
Reichshaushalts-Etatsgesetz bestimmt. Unbeschadet des dem Kaiser zustehenden 
Aufsichtsrechts wird die Verwendung dieses Geldbetrages Bayern allein überlassen. 
Bayern wirthschaftet auf eigene Rechnung. Das Geld wird mit der Ueberweisung 
auf Bayern bayerisches Geld. Bayern braucht dem Reiche über die Verwendung 
keine Rechenschaft zu geben, auch etwaige Ersparnisse nicht herauszuzahlen?. Vor- 
aussetzung und Verpflichtung find dabei, daß Bayern so wirthschaftet, wie im Reiche 
— — 
1 Siehe auch oben S. 36. Ausct Thudichum, in v. Holtzendorff's Jahr- 
J Ebenso Seydel, Comm., S. 346; anderer buch, II, S. 116.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.