498 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
die Civilverwaltung und Justizverwaltung find erstere ganz unabhängig, letztere
jedenfalls weniger abhängig als die Militärverwaltung. Gleichwohl fungirt auch
das Reichsgericht für Bayern und entscheidet z. B., ob ein bayerischer Beamter
sich in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes befunden hat, ob ein bayerisches Gesetz
oder eine bayerische Verordnung zu Recht besteht, ob ein bayerisches Civil= oder
Strafgericht richtig oder falsch entschieden hat. Aus diesem Grunde fehlte es
rechtlich an einer Veranlassung, in dem Gesetz, betreffend die Einrichtung eines
besonderen Senats für das bayerische Heer bei dem Reichsmilitärgericht in Berlin,
vom 9. März 1899 (R.-G.-Bl. 1899, S. 135) einen besonderen Senat zu bilden,
dessen Präsident und Mitglieder von Bayern ernannt werden, und der in allen
Sachen zuständig ist, in denen von bayerischen Militärgerichten entschieden ist.
Stellen wir nunmehr nicht die Rechte, sondern die Pflichten, welche
Bayern in militärischer Hinsicht hat, in den Vordergrund der Beleuchtung, so
zeigt sich Folgendes: Die Bayern müssen die persönlichen und finanziellen Militär-
und Kriegslasten genau so tragen wie die übrigen Reichsangehörigen (Art. 57, 58,
IIII, § 5 des Bündnißvertrages). Bayern muß in Bezug auf Organisation,
Formation, Ausbildung und Gebühren, dann hinsichtlich der Mobilmachung
volle Uebereinstimmung mit den für die übrigen Reichstruppen bestehenden
Normen herstellen. Bezüglich der Bewaffnung und Ausrüstung, sowie der Grad-
abzeichen hat sich die bayerische Regierung die Herstellung der vollen Ueberein-
stimmung mit dem übrigen Reichsheere zwar „vorbehalten“, indeß ist diese volle
Uebereinstimmung erreicht und auch von Bayern nicht wieder verlassen worden.
Der bayerische Vorbehalt konnte sich nach Sinn und Wortlaut nur auf Nuancen
der Bewaffnung und Ausrüstung und der Gradabzeichen beziehen. Die Ueberein-
stimmung in allen Hauptsachen war durch andere Vorschriften und Rücksichten
gewährleistet.
Die bayerischen Truppen müssen, von äußerlichen Dingen abgesehen, genau so
vollzählig, so geschult, ausgerüstet und formirt sein wie die übrigen deutschen
Truppen. Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, sich durch Inspectionen davon
zu überzeugen. Nur über die Modalitäten der jeweiligen Vornahme der In-
spection muß sich der Kaiser mit dem König in's Vernehmen setzen, d. h. er wird
anfragen, ob ihm A oder B als Inspecteur und welche Zeit zur Inspection genehm
ist. Ueber das Ergebniß dieser Inspection wird sich der Kaiser gleichfalls mit
dem König in's Vernehmen setzen, d. h. er kann nicht unmittelbar anordnen, daß
dieser oder jener Officier als ungeeignet entlassen, diese oder jene Schieß= oder
Exercirvorschrift eingeführt werde; hierüber soll er sich verständigen. Der Bündniß-
vertrag unterstellt, daß der König von Bayern in der Sache die nämlichen Interessen
hat wie der Kaiser, und daß sich Beide unter einander verständigen werden. Der
Kaiser wird den Befehl zur Kriegsbereitschaft für die bayerischen Truppen nicht
unmittelbar erlassen; er hat dazu den König zu „veranlassen“", worauf die
Mobilisirung durch diesen „erfolgt“", d. h. der König von Bayern ist ver-
pflichtet, sobald der Kaiser ihn darum ersucht, unverzüglich die Mobilifirung
auszusprechen. Dadurch tritt das bayerische Contingent unter den unbedingten
Oberbefehl des Kaisers. Zwar spricht der Bündnißvertrag nur davon, daß die
bayerischen Truppen im Kriege verpflichtet find, den Befehlen des Kaisers un-
bedingt Folge zu leisten. Im Kriege find die Truppen nicht erst, wenn der Krieg
ausgebrochen ist, sondern sobald fie kriegsbereit erklärt find. Die Verpflichtung zum
unbedingten Gehorsam im Kriege ist in den Fahneneid aufzunehmen.
Ueberblickt man diese Rechtslage, so kommt man zu dem Schlusse, daß das
bayerische Heer kein selbstständiges Heer, sondern ein Theil des Reichsheeres ist,
und daß es sich im Bündnißvertrage nur um äußere Rücksichtnahmen und Ehrungen
handelt, die einem mächtigen Staate zukommen. Der König von Bayern kann
keinen Krieg führen, da nach der Mobilmachung er jede militärische Selbstständigkeit
verloren hat und seine Truppen nicht ihm, sondern dem Kaiser gehorchen. Er muß
sein Heer so zahlreich und so ausgerüstet, ausgebildet, formirt u. s. w. halten, wie
dies dem übrigen Reichsheere entspricht und dies die Reichsgesetze vorschreiben. Er
ist zwar formell nicht verpflichtet, die vom Kaiser erlassenen Exercir-, Schieß-