Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

512 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
Deutsches Staatsrecht, II, S. 280, Arndt, Komm., S. 241, Delbrück, in den 
Sten. Ber. des Reichstages 1874, I. Session, S. 787 f., und besonders Fürst 
Bismarck am 11. Januar 1887 in den Sten. Ber. des Reichstages 1887, 
S. 142: „Wenn wir uns über die Präsenzziffer nicht einigen, dann treten die- 
jenigen Bestimmungen der Verfassung wieder in Kraft, die durch das auf Grund 
der Zusage in Art. 60 gegebene Gesetz beschränkt find . t(deshalb) hat die Ver- 
fassung schon, bevor das Versprechen bestand, durch den vierten Absatz des Art. 63 
das Moderamen gegeben, daß der Kaiser den Präsenzstand der Contingente des 
Reichsheeres bestimmen kann.“ Es ist hierbei noch zu berücksichtigen, worauf 
namentlich schon Thudichum, lI. c., und Seydel, lI. c., hingewiesen haben, daß 
bei Berathung des Kriegsdienstgesetzes vom 9. November 1867, § 6, Abs. 5, fest- 
gestellt wurde, der Kaiser könne auch über die gesetzliche Friedenspräsenzstärke 
hinaus „nothwendige Verstärkungen“ des Präsenzstandes vornehmen, und daß 
Art. 63 dem Kaiser ein selbstständiges, nicht durch ein Gesetz bestimmtes Recht zur 
Bestimmung der Friedenspräsenzstärke gebe 1. Allerdings wurde damals (1867) 
auch die gegentheilige Ansicht aufgestellt (von Lasker),, indeß wurde Abs. 5 in 
§ 6 des Kriegsdienstgesetzes mit 165 gegen 81 Stimmen vom Reichstage an- 
genommen und damit ausgesprochen bezw. als nicht verfassungswidrig anerkannt, 
daß der Kaiser auch außer dem Falle der Mobilmachung oder der Verkündung des 
Kriegszustandes Mannschaften der Reserve zum Dienst einberusen kann, wenn er 
eine Verstärkung der gesetzlichen Friedensstärke des Heeres für nothwendig erachtet . 
Regel und Verfassungsvorschrift (Art. 60) ist, daß die Friedenspräsenzstärke 
durch ein Reichsgesetz festgestellt wird. Da Gesetz weiter nichts bedeutet, als daß 
die gesetzgebenden Factoren, also Bundesrath und Reichstag, zustimmen und es als 
Gesetz verkündet wird", so muß es genügen, wenn die Friedenspräsenz anstatt durch 
besonderes Gesetz z. B. durch das Etatsgesetz festgestellt wird 5. 
Fraglich ist, ob das Vorrecht (Veto) Preußens im Art. 5, Abs. 2 der Reichs- 
verfassung auch zur Anwendung kommt, wenn die Zeit, für welche die Präsenzstärke 
festgesetzt ist, abläuft und Preußen sich für die zuletzt festgesetzte Präsenzstärke aus- 
spricht. Diese Frage ist zu bejahen, da sich das Vorrecht nicht bloß auf gesetz- 
liche, sondern auch auf alle bestehenden Einrichtungen ausspricht. Die gleiche 
Ansicht äußerte am 11. Januar 1887 im Reichstage Fürst Bismarck (Sten. 
Ber. S. 342): „Die bestehende Einrichtung ist doch immer die Präsenzziffer des 
vorigen Jahres und würde in Folge des ausschlaggebenden Votums des Kaisers 
immer in Geltung bleiben, selbst wenn, was nicht denkbar ist, die Majorität des 
Bundesraths dagegen stimmte.“ In der Theorie stimmen zu: Seydel, Comm., 
S. 327, Laband, II, S. 561, Schulze, Deutsches Staatsrecht, II, S. 280, 
Thudichum, in v. Holtzendorff's Jahrbuch, II, S. 110 f., Fricker, in der 
Zeitschrift für die gesammte Staatsrechtswissenschaft, Bd. XXVIII, S. 174, Hierse- 
menzel, Verfassung des Norddeutschen Bundes, I. S. 160. Die entgegenstehende 
Ansicht vertreten Riedel, Die Reichsverfassungsurkunde, S. 142, Preuß, 
Friedenspräsenz und Reichsverfassung, S. 92, v. Savigny, im Arch. f. öfftl. Recht, 
III, S. 239, v. Rönne, Reichsstaatsrecht, II, S. 151 ff., mit der Begründung, daß, 
da die Verfassung (Art. 60) bezw. die Gesetze über die Präsenzstärke einen fixen 
Endtermin bestimmen, bis zu welchem die dermalige Friedenspräsenzstärke gelten 
soll, es sich bei Eintritt dieses Termins nicht darum handle, eine bestehende Ein- 
richtung zu beseitigen. Hierbei wird übersehen, daß die bestehende Präsenzstärke 
und das Heer thatsächlich militärische Einrichtungen sind, rücksichtlich welcher 
Preußen nach Absicht und Wortlaut der Verfassung das Veto haben soll“. 
  
  
1 BVgl. namentlich die Rede des Grafen 559 f., v. Savigny, im Arch. f. öffentl. Recht, 
Molttke (Sten. Ber. des Reichstages 1867,III, S. 225; dasegen Preuß, Friedenspräsenz 
S. 477). und Reichsverfassung, S. 76, d Schulze, 
2 Sten. Ber. 1867, S. 478. Deutsches Staatsrecht, II, S. 277 ff., und in 
à Thudichum, Verfassungsrecht, S. 430 f. Grünhut's Zeitschrift, II, S. 208 ff., Thu- 
4 Oben S. 156 f. dichum, in v. Holtzendorff's Jahrbuch, II, 
5 Ebenso Seydel, in Hirth's Annalen 1875,. 109. 
S. 1410, Comm., S. 325 f., Laband, II, S. * Siehe oben S. 181, 182. 
 
	        
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