65 50. Stärke und Zusammensetzung des stehenden Heeres. 515
dem durch Art. 56 (jetzt 60) festgesetzten Procentsatze der Bevölkerung der Bundes-
staaten“ 1.
Die von den verbündeten Regierungen geforderte Sicherheit der Heereseinrichtungen
ist daher durch die Vorschrift in Satz 2 des Artikels 60 der Reichsverfassung nicht
als gewährleistet anzusehen und nach der Erklärung, welche Fürst Bismarck am
15. April 1867 vor dem Reichstage abgab, von den Regierungen nicht als gewähr-
leistet angesehen worden ?. Andererseits haben die Regierungen nach Abschluß der
Verfassungsberathung diese Sicherheit als verbürgt angesehen, da sie sonst nach
dieser Erklärung die Verfassung nicht vollzogen hätten.
Worin ist nun diese Sicherheit zu erblicken? Nicht darin allein, daß der
Kaiser den Präsenzstand bestimmen kann; denn dadurch ist noch nicht das Recht
gegeben, die Ausgaben zu leisten; eher schon darin, daß die reichsgesetzlich fest-
gestellte Anzahl der Cadres und deren Formation bestehen bleiben, weil die gesetzliche
Organisation des Heerwesens dem Etatsgesetze zu Grunde zu legen ist (Art. 62, Abf. 4
der Reichsverfassung), wie in der Vorschrift, daß alle Deutschen wehrpflichtig find 2. Indeß
ist diese Sicherheit eine ungenügende, solange die Mittel nicht bewilligt
sind, um die Ausgaben für die gesetzlich formirten Cadres und den vom Kaiser
sestgestellten Präsenzstand zu leisten. Die Sache würde, wenn keine anderen Sicher-
heiten bestehen, so liegen, wie sie in Preußen zur Zeit des Verfassungsconflicts
lagen, nämlich, daß mochte der König noch so sehr im Rechte sein, als er die
Reorganisation und die gesetzlich seit 1814 bestehende dreijährige Dienstzeit ver-
theidigte, er doch die Ausgaben ohne Genehmigung des Abgeordnetenhauses nicht
verfassungsmäßig leisten konnte. Die genügende Sicherheit fanden die Regierungen
in dem Antrage Ujest, also in den Absätzen 2 und 4 des Art. 62 der Verfassung.
Abs. 2 lautet: „Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beiträge von den
einzelnen Staaten des Bundes zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung
derselben wird die im Artikel 60 interimistisch festgestellte Friedens-Präsenzstärke so
lange festgehalten, bis sie durch ein Reichsgesetz abgeändert ist.“ Diesen Absatz
halten für ausgehoben: Seydel, Comm., 1. Aufl. S. 233, 2. Aufl. S. 342 f.,
Derselbe, in Hirth's Annalen 1875, S. 1411 ff., v. Rönne, Deutsches Staats-
recht, II, S. 177 f., G. Meyer (in Polemik gegen Laband), in Hirth's Annalen
1880, S. 349, ferner G. Meyer, Staatsrecht, § 209, Anm. 11; als noch an-
wendbar Laband, II, S. 564, Preuß, Friedenspräsenz, S. 58, v. Savigny,
im Archiv f. öffentliches Recht, III. S. 245, Thudichum, in v. Holtzendorff's
Jahrbuch, I, S. 41, II, S. 120, Fricker, in der Zeitschrift für die gesammten
Staatswissenschaften, Bd. XXVIII, S. 175. Kein Streit besteht darüber, daß,
wenn ein Reichsgesetz die Friedenspräsenzstärke normirt, die Berechnung der Bei-
träge, von denen Art. 62 der Verfaffung spricht, nicht nach der im Art. 60
interimistisch festgestellten Friedenspräsenzstärke zu erfolgen hat. Nach dem klaren
Wortlaut der Verfassung müssen diese Beiträge (jährlich so viel Mal 225 Thaler
als die Kopfzahl des Heeres nach Art. 60 beträgt) zur Reichskafse fortgezahlt
werden. Es ist dieser Satz an keine Einschränkung oder Bedingung geknüpft.
Daraus folgt, daß, wenn nicht mehr gezahlt werden muß oder keine andere Be-
rechnung nach einem Gesetze über die Friedenspräsenzstärke erfolgt, zur Bestreitung
des Aufwandes für das deutsche Heer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen
jedenfalls 225 Thaler mal der in Art. 60 festgesetzten Kopfzahl der Friedens-
präsenzstärke des Heeres von den Bundesstaaten gezahlt werden müssen.
Vergegenwärtigen wir uns nochmals die Entstehungsgeschichte der betreffenden
Verfassungsvorschrift", so ist niemals und von keiner Seite und namentlich nicht
von ihren beiden Vertretern (Lasker und Graf Bethusy-Huch erklärt worden,
daß es sich nur um eine zeitlich begrenzte Vorschrift handeln soll. Der offenbare,
deutlich ausgesprochene Zweck war, in Abs. 2 den Regierungen eine dauernde
Sicherheit der Einnahmen für das Heer und in Abs. 3 dem Reichstage das
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1 Drucks. Nr. 87, Bezold, II, S. 397. Komm., S. 241. Auch das ist beim Etatsgesetz
: Sten. Ber. S. 695. zu berückfichtigen.
J# Siehe auch Laband, l. c., Arndt, 4 Siehe oben S. 508 f.
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