528 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
einer besonderen Verfügung bedarf. Durch die Landsturmpflicht wird die Militärpflicht
nicht geändert !. Der Aufruf des Landsturms erfolgt durch Kaiserliche Verordnung,
bei unmittelbarer Kriegsgefahr im Bedarfsfalle durch die commandirenden Generale, die
Gouverneure und Commandanten der Festungen (Gesetz vom 11. Febr. 1888, Art. II,
§25)0. Der Aufruf des Landsturms erfolgt nach Jahresklassen, mit den jüngsten beginnend,
soweit die militärischen Interessen es gestatten. Dem Aufruf unterliegen nicht solche
Wehrpflichtige, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd untauglich
zum Dienst im Heere und der Marine befunden und ausgemustert find (Gesetz vom
11. Febr. 1888, Art. II, §27). Bei Aufruf des Landsturms bleiben von der Heranziehung
zur Ergänzung des Heeres und der Marine ausgeschlossen: a) Personen, welche zu
Zuchthausstrafe verurtheilt find, und zwar dauernd (Strafgesetzbuch § 31), b) Per-
sonen, welche durch Straferkenntniß aus dem Heere oder der Marine entfernt find,
gleichfalls dauernd (Militärstrafgesetzbuch § 32, Ziff. 83), c) Personen, welche mit
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft sind, für die Dauer, während fie unter
der Wirkung der Ehrenstrafen stehen (Strafgesetzbuch § 34). Nach Erlaß des
Aufrufs bis zur Anflösung des Landsturms findet ein Uebertritt vom ersten zum
zweiten Aufgebot, sowie ein Ausscheiden aus dem Landsturm nicht statt (Gesetz vom
11. Februar 1888, Art. II, § 27). Die Auflösung des Landsturms wird vom
Kaiser angeordnet. Mit Ablauf des Tages der Entlassung hört das militärische
Dienstverhältniß der Landsturmpflichtigen auf.
Wehrpflicht nach Erwerbung und Verlust der Reichs-
angehörigkeit?.
Nur Deutsche find (Art. 57 der Reichsverfassung) wehrpflichtig; Angehörige
fremder Staaten brauchen nicht in das deutsche Heer einzutreten; fie können indeß
mit Genehmigung des Contingentsherrn in das Heer und mit Kaiserlicher Ge-
nehmigung in die Marine eintreten. Sind Angehörige fremder Staaten irrthümlich
zum Militärdienst eingestellt, so hat sofort ihre Entlassung zu erfolgen, wenn sie
nicht ihre Naturalisation beantragen und diesem Antrage stattgegeben wird.
Ausländer, welche die Reichsangehörigkeit erwerben, werden nach Maßgabe ihres
Lebensalters wehrpflichtig. Die Regelung ihrer Dienstpflicht erfolgt nach den-
selben Grundsätzen wie bei allen übrigen Wehrpflichtigen.
Personen, welche das Reichsgebiet verlassen, die Reichsangehörigkeit verloren,
eine andere Staatsangehörigkeit aber nicht erworben oder wieder verloren haben,
find, wenn fie ihren dauernden Aufenthalt im Deutschen Reiche nehmen, zur Ge-
stellung vor den Ersatzbehörden verpflichtet und können nachträglich ausgehoben,
jedoch im Frieden nicht über das vollendete 31. Lebensjahr hinaus im activen
Dienst zurückbehalten werden. Dasselbe gilt von den Söhnen ausgewanderter und
wieder in das Deutsche Reich zurückgekehrter Personen, sofern die Söhne keine andere
Staatsangehörigkeit erworben haben oder zwar eine andere Staatsangehörigkeit
erworben hatten, aber vor vollendetem 31. Lebensjahre wieder Reichsangehörige
werden (Reichs-Militärgesetz § 119). v
II. Militärpflicht“.
Die Militärpflicht ist als die Pflicht bezeichnet, sich der Aushebung für das
Heer oder die Marine zu unterwerfen. Sie beginnt mit dem 1. Januar desjenigen
Kalenderjahres, in welchem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet, und
dauert so lange, bis über die Dienstverpflichtung des Wehrpflichtigen endgültig
entschieden ist. Während der Dauer der Militärpflicht heißen die Wehrpflichtigen
militärpflichtig.
1 Wehrordnung Abschn. III, § 20, Ziff. 7, 2 Oben S. 60 ff.
und weiter unten.8 4 Wehrordnung Abschn. III.
2 Wehrordnung Abschn. II, § 21.