Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

580 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
in welchem die Eltern oder Familienhäupter wohnen (Gesetz vom 6. Mai 1880, 
Art. II, § 12). Bei der Anmeldung zur Stammrolle ist, sofern die Anmeldung 
nicht am Geburtsorte selbst erfolgt, das Geburtszeugniß vorzulegen. Sind Militär- 
pflichtige von dem Orte, an welchem sie sich zur Stammrolle anzumelden haben, 
zeitig abwesend, so haben ihre Eltern, Vormünder, Lehr-, Brod= oder Fabrikherren 
die Verpflichtung. Die Anmeldung zur Stammrolle ist seitens der Militär- 
pflichtigen so lange alljährlich zu wiederholen, bis eine endgültige Entscheidung 
über die Dienstverpflichtung durch die Ersatzbehörden erfolgt ist; es sei denn, daß 
von dieser Verpflichtung ausdrücklich entbunden oder eine Zurückstellung über das 
laufende Jahr hinaus erfolgt ist. Veränderungen des Aufenthalts oder Wohnsitzes 
sind spätestens innerhalb dreier Tage ab= und anzumelden. Versäumung der 
Meldefristen entbindet nicht von der Meldepflicht. Zuwiderhandlungen gegen die 
Vorschriften über die Meldepflicht, sofern sie nicht unverschuldet find, werden nach 
§ 33 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 mit Geldstrafe bis zu 30 Mark 
oder mit Haft bis zu drei Tagen bestraft. 
Gestellungspflichtt. 
Die Gestellungspflicht ist die Pflicht der Militärpflichtigen, sich behufs Herbei- 
führung einer endgültigen Entscheidung über ihre Dienstverpflichtung vor den Ersatz- 
behörden zu gestellen. Die Gestellung findet höchstens zweimal jährlich statt (Gesetz 
vom 6. Mai 1880, Art. II, § 10). Jeder Militärpflichtige ist in dem Aushebungs- 
bezirk gestellungspflichtig, in welchem er sich zur Stammrolle zu melden hat. Im 
Auslande sich aufhaltende Militärpflichtige können Ueberweisung zu einem anderen 
Aushebungsbezirke beantragen. Unterlassene Anmeldung zur Stammrolle entbindet 
nicht von der Gestellungspflicht. Die Gestellung findet während der Dauer der 
Militärpflicht jährlich sowohl vor der Ersatzkommission als auch vor der Ober- 
Ersatzkommission statt, sofern nicht die Militärpflichtigen ganz oder theilweise davon 
entbunden sind. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Gestellungs- 
pflicht werden nach § 383 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 mit Geldstrafe 
bis zu 30 Mark oder Haft bis zu drei Tagen bestraft, wenn nicht Bestrafung aus 
§ 140 des Reichsstrafgesetzbuchs eintritt. Ist die Versäumniß in böslicher Absficht 
oder wiederholt ohne zureichende Entschuldigung erfolgt, so find sie als unsichere 
Dienstpflichtige zu behandeln. 
  
Entscheidungen über Militärpflichtiges. 
Die Entscheidungen werden bedingt durch die Würdigkeit, die Tauglichkeit, die 
bürgerlichen Verhältnisse und die Rangirung der Militärpflichtigen. Die Ent- 
scheidungen find entweder vorläufige oder endgültige. Die vorläufigen Entscheidungen 
bestehen in der Zurückstellung Militärpflichtiger von der Aushebung für einen be- 
stimmten Zeitraum. Die endgültigen Entscheidungen bestehen in der a) Aus- 
schließung vom Dienst im Heer oder in der Marine, b) Ausmusterung vom Dienst 
im Heer oder in der Marine, c) Ueberweisung zum Landsturm ersten Aufgebotsz, 
d) Ueberweisung zur Ersatzreserve, e) Aushebung für einen Truppen= oder Marine= 
theil. Zurückstellung von der Aushebung kann erfolgen: a) wegen zeitiger Aus- 
schließungsgründe, b) wegen zeitiger Untauglichkeit, e) in Berücksichtigung bürger- 
licher Verhältnisse, d) als überzählig. Die Zurückstellungen unter a) bis c) werden 
in der Regel durch die Ersatzkommission, die unter d) durch die Ober-Ersatzkommission 
verfügt. Nach Eintritt einer Mobilmachung verlieren alle Zurückstellungen ihre 
Gültigkeit. Wer wegen einer strafbaren Handlung, welche mit Zuchthaus oder 
mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft werden kann, oder wegen 
welcher die Verurtheilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechswöchiger 
Dauer oder zu einer entsprechenden Geldstrafe zu erwarten ist, in Untersuchung sich 
  
1 Wehrordnung Abschnitt III, § 26. : Wehrordnung Abschnitt IV, §8§ 28 f.
	        
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