Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

550 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
die Königliche Verordnung über die Ergänzung der Officiere des Friedensstandes 
vom 11. März 1880. Das erste Erforderniß, um Officier zu werden, ist die 
Annahme als Anvantageur seitens eines Truppentheils, und zwar sind zur An- 
nahme die Regiments= und selbstständigen Bataillonscommandeure befugt. Entlassene 
Cadetten dürfen als Officiersaspiranten nur mit Königlicher Genehmigung angenommen 
werden; ebenso Ausländer. Zur Annahme als Avantageur ist nothwendig der Nachweis 
der körperlichen Fähigkeit und der vorgeschriebenen Bildung durch Bestehen der Prüfung 
als Fähnrich oder durch Abgangszeugniß eines Gymnasiums oder Realgymnasiums 
(Realschule 1. Ordnung). Das Alter der Annahme ist auf die Zeit des vollendeten 
17. bis zum vollendeten 283. Lebensjahr begrenzt. Nach der Annahme findet ein 
sechsmonatlicher Dienst statt, nach dessen Ableistung der Angenommene auf Grund 
eines vom Chef und den Offieieren ausgestellten Dienstzeugnisses zum Fähnrich 
ernannt werden kann. Er muß sodann als Fähnrich sechs Monate dienen, die 
Kriegsschule 1 besuchen und die Officiersprüfung? bestehen. Für Artillerie= oder 
Ingenieurofficiere find noch besondere Prüfungsvorschriften gegeben 3. Erleichternde 
Bestimmungen gelten für Die, welche einen einjährigen Besuch einer deutschen 
Univerfität nachweisen" oder aus der Hauptcadettenanstalt hervorgehen 5 oder zuvor 
die Befähigung zum Reserve= oder Landwehrofficier erlangt haben #. Nachdem noch 
das Officiercorps des betreffenden Truppentheils den Aspiranten (Fähnrich) für 
würdig erklärt hat, in seine Mitte zu treten, und nachdem in einem besonderen 
Atteste bezeugt ist, daß er die einem Officier nöthige praktische Kenntniß besitzt, 
wird er, nach seiner Anciennität, dem Könige zum Officier vorgeschlagen. Bei 
Auszeichnung vor dem Feinde kann von der Fähnrichs= und bei fortgesetzt aus- 
gezeichnetem Benehmen auch von der Officiersprüfung abgesehen werden, so daß 
auch jeder Soldat und Unterofficier dem Könige als Officier vorgeschlagen werden 
kann S8. Officiere des Beurlaubtenstandes, denen der Contingentsherr die Erlaubniß 
zum Uebertritt ertheilt, können nach bestandener Fähnrichs= sofort zur Officiers= 
prüfung zugelassen werden. Die Patentirung erfolgt vom Tage der Anstellung?. 
Alle diese Vorschriften binden den König nicht, sondern nur Die, welche ihm 
Vorschläge machen; der König kann, wen er will, zum Officier ernennen. 
Die Bestimmungen über die Ergänzung des Officiercorps der Marine 
find in der Kaiserlichen Verordnung vom 29. Juli 1898 enthalten, die zwar nur 
als „Entwurf“ gegeben, aber bis auf Weiteres in Kraft gesetzt find. Die Regelung 
steht dem Kaiser auf Grund Art. 53 der Reichsverfassung zu 10. Der Eintritt 
erfolgt als Cadett oder beim Uebertritt aus der Handelsmarine als Matrose. Für 
den Eintritt als Cadett gelten entsprechende Vorschriften wie für den als 
Avantageur, doch genügt statt des Reife-(Abgangs-) Zeugnisses neben dem Zeugniß 
der Reife für die Prima das Bestehen der Eintrittsprüfung vor der „Seeofficier- 
und Cadettenprüfungskommission“ zu Kiel. Wer als Cadett zur See eingestellt 
wird, darf das Alter von 18 und nur bei Besitz eines Reife-(Abgangs-) Zeugnisses 
von einem Gymnasium oder Realgymnasium für die Universität von 19 Jahren 
nicht überschritten haben. 
Die Cadetten werden auf sog. Cadettenschiffen und in der Marineschule aus- 
gebildet und nach bestandener Seecadettenprüfung zu Seecadetten mit dem Range 
der Degenfähnriche ernannt. Darauf werden sie an Bord eines sog. Schulschiffes 
ein Jahr eingeschifft, sodann auf etwa sechs Monate auf Schiffe der Kriegsmarine 
commandirt, worauf fie etwa elf Monate die Marineschule besuchen und endlich die 
Seeofficiersprüfung vor der Prüfungskommission in Kiel ablegen, und werden 
1 Siehe hierzu Cabinetsordre vom 29. Märzi „½: Verordnung vom 11. März 1880, 5 11. 
1893 (Armeeverordnungsbl. 1893, S. 85). ESchcendort | 9. 
2 Bestimmungen über diese s. in der Cabinets- 7 Ebendort § 9. 
ordre vom 27. Februar 1873 über die Organi= Ebendort 5 19. Nur Feldwebel (Wacht- 
sation der Krießsschulen (Armeeverordnungsbl. meister) und patentirte Fähnriche dürfen sogleich 
1873, Beilage Nr. 7) und in der Cabinetsordre zum Officier, alle übrigen müssen zunächst zum 
vom 29. März 1893, Anm. 2. vorgeichlagen werden. 
Cabinetsordre vom 20. Nuli 1894 (Armee- "t Ebendort § 12. 
verordnungsbl. 1894, S. 231). Siehe oben S. 84 a. a. O. 
* 11 der Verordnung vom 11. März 1880. 
  
  
 
	        
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