Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

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570 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
ist für die Leitung des Verfahrens verantwortlich und giebt dem Ehrenrath die nöthige 
Anleitung. Die Untersuchung wird schriftlich geführt. Zeugen werden durch den 
Ehrenrath, event. auf Ersuchen durch Civilgerichte vernommen. Bei Verschiedenheit 
der Ansichten innerhalb des Ehrenrathes entscheidet der Commandeur. 
Bei dem Schluß der Untersuchung ist der Angeschuldigte durch den Ehrenrath 
darauf aufmerksam zu machen, daß und wie er sich vertheidigen darf. Der Spruch 
erfolgt in einer vom Commandeur zu berufenden Versammlung. Ueber Anträge 
auf Ausschließung einzelner Mitglieder des Ehrengerichts von der Abstimmung ent- 
scheidet (endgültig) der Commandeur. Auszuschließen sind durch den Commandeur: 
Ankläger, Zeugen, Vertheidiger, Väter, Söhne, Brüder und andere nahe Verwandte, 
sowie die, welche sich selbst in gerichtlicher oder ehrengerichtlicher Untersuchung be- 
finden. Mitglieder, die nicht ausgeschlossen, an dem Orte der Spruchsitzung an- 
wesend und weder krank noch durch den Dienst verhindert find, dürfen sich der Be- 
theiligung am Spruch nicht entziehen. Zu einem gültigen Spruch ist regelmäßig 
die Theilnahme von mindestens neun stimmfähigen Mitgliedern, ausschließlich des 
Commandeurs, erforderlich. Die Mitglieder des Ehrengerichts werden nicht ver- 
eidigt; sie sind aber vor der Abstimmung vom Commandeur aufzufordern, als Ehren- 
männer, ohne Leidenschaft nach Pflicht und Gewissen und mit Erwägung der be- 
sonderen Verhältnisse, ihre Stimme abzugeben. Demnächst find die Acten vom 
Ehrenrath vollständig vorzulesen. Hieran knüpft sich die Vertheidigung, darauf hat 
der Angeschuldigte die Sitzung zu verlassen. Jedes Mitglied des Ehrenrathes giebt 
seine Stimme mündlich ab. 
Der Spruch kann lauten: 1) auf Unzuständigkeit, wenn das Ehrengericht der 
Ansicht ist, daß der Fall sich nicht zur ehrengerichtlichen Untersuchung eigne oder 
daß ein anderes Ehrengericht zuständig sei; 2) auf Vervollständigung der Unter- 
suchung; 3) auf Freisprechung; 4) auf Schuldig der Gefährdung der Standesehre, 
unter Beantragung der Ertheilung einer Warnung, wenn das Ehrengericht der Ueber- 
zeugung ist, daß der Angeschuldigte nicht unwürdig geworden ist, im Dienst zu 
verbleiben; 5) auf Schuldig der Verletzung der Standesehre, unter Beantragung 
der Entlassung mit schlichtem Abschied, wenn das Ehrengericht der Ueberzeugung 
ist, daß der Angeschuldigte in seiner Dienststellung nicht bleiben kann; 6) auf 
Schuldig der Verletzung der Standesehre unter erschwerenden Umständen, unter 
Beantragung der Entfernung aus dem Officiersstand, wenn das Ehrengericht der 
Ueberzeugung ist, daß der Angeschuldigte dem Stand anzugehören unwürdig ge- 
worden ist. 
Die Entlassung mit schlichtem Abschied hat den Verlust der Dienststelle, die 
Entfernung aus dem Officiersstand außerdem den des Officierstitels zur unmittel- 
baren Folge. Ueber den Verlust der Orden und Titel (auch Kriegsdenkmünzen) hat 
sich das Generalcommando zu äußern. 
Bei inactiven Officieren tritt an die Stelle der Entlassung mit schlichtem Ab- 
schied der Verlust des Rechts, die Militäruniform zu tragen, an die Stelle der 
Entfernung aus dem Officiersstande außerdem noch der Verlust des Officierstitels. 
Bei der Abstimmung geben zuerst der Ehrenrath, dann sämmtliche übrige 
Mitglieder des Ehrengerichts nach ihrem Dienstalter von unten, zuletzt der 
Commandeur die Stimme ab. Ein gültiger Spruch entsteht, wenn mehr als die 
Hälfte der Stimmen gleich lautet. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme 
des Commandeurs. Das Ehrengericht kann zugleich ein Gnadengesuch einreichen. 
Der Commandeur läßt den Spruch als Erkenntniß durch den Ehrenrath aus- 
fertigen. Das Erkenntniß wird der Allerhöchsten Entscheidung unterbreitet, wobei 
sich die Befehlshaber, durch deren Hand es geht, eingehend zu äußern haben. Die 
Allerhöchste Entscheidung ist dem Angeschuldigten gleichzeitig mit dem Spruch des 
Ehrengerichts bekannt zu machen. Gegen einen Spruch, über den der oberste 
Kriegsherr entschieden hat, ist nur mit Allerhöchster Genehmigung ein weiteres 
Verfahren zulässig.
	        
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