572 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
Richter nicht ständige, sondern ad hoe vom Gerichtsherrn bestellte Richter sind, und
besonders dadurch, daß jedes militärgerichtliche Urtheil erst durch die Bestätigung
vollstreckbar wird. Diese Eigenthümlichkeiten erklären sich daraus, daß es im Militär
nur eine ungetrennte Gewalt, die Commandogewalt, giebt, von welcher auch die
Militärgerichtsbarkeit nur ein Ausfluß ist. Die Bestätigungsordre enthält sowohl
die Bescheinigung, daß die Rechtskraft des Urtheils eingetreten ist, wie den Befehl
zu seiner Vollstreckung. Auf das Erforderniß einer solchen Bestätigungsordre wird
militärischerseits Werth gelegt, weil sie zur Stärkung und Festigung der perfön-
lichen Beziehungen zu der kriegsherrlichen Gewalt beitrage. Das Bewußtsein des
Soldaten, daß er unbedingt, wie unter der Gewalt, so auch in jeder Lage unter
dem Schutze seines Kriegsherrn stehe und daß er auf eine gnadenweise Berücksich-
tigung rechnen dürfe, wenn die rechtskräftig vom Strafrichter verhängte Strafe als
eine zu harte befunden werden sollte, werde durch die Bestätigungsordre lebendig
gehalten, welche somit zur Stärkung der kriegsherrlichen Autorität und zur Be-
festigung der militärischen Disciplin diene. Die Anschauung, daß nur die Gerichte
Träger der Gerichtsherrlichkeit und zugleich Urtheilsfinder seien, liegt der Militär-
strafgerichtsordnung somit nicht zu Grunde.
Die Militärstrafgerichtsbarkeit bezieht sich auf alle, nicht bloß militärische
Strafhandlungen (§ 1). Ausgenommen, also den bürgerlichen Behörden vorbehalten,
sind nur (§ 2) die Untersuchung und Entscheidung wegen Zuwiderhandlung gegen
Finanz= und Polizeigesetze, Jagd= und Fischereigesetze (und Verordnungen) und
die Amtsverbrechen und Amtsvergehen (§ 3), welche von activen, nicht dem
Officierstande angehörigen Militärpersonen bei einstweiliger Verwendung im Civildienste
(ohne Concurrenz mit einer Zuwiderhandlung gegen die Militärstrafgesetze) begangen
werden. Endlich können Strafthaten von Militärpersonen, bei denen auch Civil-
personen betheiligt sind, dem bürgerlichen Gericht überwiesen werden (§ 4).
Der Militärstrafgerichtsbarkeit sind unterstellt, und zwar wegen aller straf-
baren Handlungen, nur die soeben bezeichneten ausgenommen (8§ 1): 1) Die
Militärpersonen des activen Heeres und der Marine?; 2) die zur Disposition ge-
stellten Officiere, Sanitätsofficiere und Ingenieure des Soldatenstandes; 3) die
Studirenden der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungs-
wesen; 4) die Schiffsjungen, solange sie eingeschifft sind; 5) die in militärischen
Anstalten versorgten invaliden Officiere und Mannschaften; 6) die nicht zum
Soldatenstand gehörigen Officiere à la suite und Sanitätsofficiere à la suite, wenn
und solange sie zu vorübergehender Dienstleistung zugelassen find; 7) die ver-
abschiedeten Officiere, Sanitätsofficiere und Ingenieure des Soldatenstandes, wenn
und solange sie als solche oder als Militärbeamte im activen Heere oder in der
Marine vorübergehend wieder Verwendung finden; 8) die in den §8§ 153, 157,
158, 166 des Militär-Strafgesetzbuchs bezeichneten Personen", solange sie den
Militärgesetzen unterworfen sind. Sachlich beschränkt ist die Anwendbarkeit der
Militärstrafgerichtsordnung (§ 5) für: 1) Personen des Beurlaubtenstandes und die
denselben gleichstehenden Personen, (nämlich nur) wegen Zuwiderhandlungen gegen
die auf sie Anwendung findenden Vorschriften der Militärstrafgesetze ; 2) die dem
1 Die Vollstreckung der für solche Zuwider-
handlungen subsidiär erkannten Freiheitsstrafen
ist durch Ersuchen der Militärbehörden zu be-
wirken (§ 2 das
5 S. oben S. 539 ff.; insbesondere wegen Nicht-
gestellung und Fahnenflucht, unbefugter Ver-
anstaltung von Versammlungen, Ungehorsams
· .). » gegen einen rechtmäßigen Befehl in Dienstsachen,
* Militärlehrer als solche nicht, also nur, Mißbrauchs der Dienstgewalt im dienstlichen Ver-
wenn sie zu den Personen des Soldatenstandes kehr oder in der Militäruniform, Selbstbeschä-
gehören. Die Militärpersonen des Friedens= digung und Vorschützung von Gebrechen; "t
standes siehe in § 38 A und B des Reichs= 8§ 6, 42, Abs. 2, 68 ff., 81 ff., 101, 113, 1
Militärgelsefes des Militär-Strafgesetzbuchs. Mannschaften, die
s Der Militärgerichtsstand der verabschiedeten zur Controlversammlung einberufen sind, werden
Officiere ist durch Gesetz, betr. die Abänderung
der Militär-Strafgerichtsordnung, vom 3. Mai
1890 (R.-G.-Bl. 1890, S. 63) aufgehoben; der-
jenige der zur Dispofsition gestellten dauert fort.
S. oben S. 564 (sog. Armeetroß u. s. w.).
während des ganzen Tages als active Militär-
personen angesehen und behandelt; fiehe oben
S. 338 t und Sten. Ber. des Reichstages 1897.98.
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