Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

576 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden, wenn das Rechtsmittel der Revifion lediglich 
auf die Verletzung processualer Vorschriften, einer Vorschrift oder eines Rechtsgrund- 
satzes der allgemeinen bürgerlichen Gesetze gestützt wird (§ 84). 
Beim Reichsmilitärgericht wird eine aus einem Obermilitäranwalt und einem 
oder mehreren Militäranwälten bestehende Militäranwaltschaft eingerichtet 
(§ 103). Die Militäranwälte stehen unter der Ausfsicht und Leitung des Ober- 
militäranwalts und haben seinen Anweisungen Folge zu leisten (§5 104). Der 
Obermilitäranwalt ist dem Präsidenten des Reichsmilitärgerichts unterstellt und hat 
in Fragen, welche die Geltung oder die Auslegung einer militärischen Dienst- 
vorschrift oder eines militärischen Grundsatzes betreffen oder allgemeine militärische 
Interessen berühren, die Ansicht des Präfidenten zu vertreten (§ 105). Der Ober- 
militäranwalt und die Militäranwälte sind richterliche Beamte; zu diesen Aemtern 
können nur zum Richteramte befähigte Beamte ernannt werden (§ 106). Ihre Er- 
nennung erfolgt durch den Kaiser auf Vorschlag des Bundesraths; sie können durch 
Kaiserliche Verfügung jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes einst- 
weilig in den Ruhestand gesetzt werden (§ 107). 
Der Angeklagte kann sich, außer bei den Standgerichten, nach Abschluß des 
Ermittelungsverfahrens des Beistandes eines Vertheidigers bedienen (§ 337). 
Bildet ein Verbrechen den Gegenstand der Anklage, so hat der Gerichtsherr dem 
Angeklagten, falls derselbe einen Vertheidiger nicht erwählt hat, einen solchen von 
Amtswegen zu bestellen (§ 338). Als Vertheidiger werden zugelassen (und event. 
bestellt): 1) Personen des Soldatenstandes des activen Heeres im Officiersrange; 
2) Kriegsgerichtsräthe und die bei den Militärgerichten beschäfrigten Assessoren und 
Referendarien (Praktikanten), 3) nicht richterliche obere Militärbeamte (zu 1 bis 3 
nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde); 4) Personen des Be- 
urlaubtenstandes im Officiersrange; 5) (nicht alle, sondern nur die) Rechtsanwälte, 
welche von der obersten Militärjustizverwaltung ernannt worden sind. Doch hat 
der Gerichtsherr bei Verbrechen oder Vergehen gegen die §§& 133, 156, 159, 160, 
253, 263, 266, 267 bis 271, 273, 274 des bürgerlichen Strafgesetzbuchs einem bei 
den deutschen Gerichten zugelassenen Rechtsanwalt die Vertheidigung zu gestatten, wenn 
nicht eine Gefährdung der militärdienstlichen Interessen oder eine Gefährdung der 
Staatssicherheit zu besorgen ist (§ 344). 
Der Gerichtsherr hat analog dem amtsrichterlichen Strafbefehl die Befugniß, 
durch schriftliche Strafverfügung Strafen (Haft bis zu 14 Tagen oder Geld- 
strafe oder Einziehung) festzusetzen (§ 349), gegen welche binnen einer Woche nach 
Zustellung Einspruch bei dem Gerichtsherrn erhoben werden kann. Geschieht dies 
innerhalb dieser Zeit, so findet Hauptverhandlung statt. Die Bestätigung ist für 
Strafverfügungen nicht nöthig. 
Die Militärstrafgerichtsordnung kennt als ordentliche Rechtsmittel: die 
Rechtsbeschwerde, die Berufung und die Revision (§ 363). Die Rechtsbeschwerde 
findet nur gegen Beschlüsse und Verfügungen, die Berufung und die Revifion, 
welche beide dem Gerichtsherrn (auch zu Gunsten des Angeklagten) und dem An- 
geklagten zustehen, nur gegen Urtheile der erkennenden Gerichte statt (88 365 ff.), 
die Revision an das Reichsmilitärgericht nur gegen Urtheile der Oberkriegsgerichte. 
Gegen die Entscheidung des Reichsmilitärgerichts findet ein ordentliches Rechtsmittel 
nicht statt. Die Berufung findet statt gegen Urtheile der Standgerichte und gegen 
die Urtheile der Kriegsgerichte in erster Instanz. Durch die Berufung kann das 
Urtheil sowohl in thatsächlicher wie in rechtlicher Beziehung angefochten werden 
(5 378). Die Revision kann nur auf Gesetzesverletzung gestützt werden. 
Im Allgemeinen entsprechen die Vorschriften der Militärstrafgerichtsordnung 
denen der Strafprozeßordnung, so wegen der Ablehnung der Gerichtspersonen, der 
der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, der Ablehnung des Zeugnisses, 
der Rechtsmittel, der Wiederaufnahme des Verfahrens, der Entschädigung unschuldig 
Verurtheilter, auch bezüglich der Art der Abstimmung und der Frage, ob eine 
Frage zu Ungunsten des Angeklagten bejaht ist. So ist zur Bejahung der Schuld- 
frage Zweidrittelmehrheit nothwendig.
	        
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