610 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
Kosten zu nöthigen, welche die zu gewährenden Ouartierentschädigungen überschreiten
würden“ (Art. I, § 1 des Gesetzes vom 21. Juni 1887, R.-G.-Bl. 1887, S. 245).
Für die Truppen in Garnisonen sollen in der Regel während des Friedens-
standes Quartiere nicht gefordert werden, und eventuell nur a) Ouartier für Mann-
schaften vom Feldwebel abwärts, b) Stallung für Dienstpferde. Bei Cantonirungen,
deren Dauer von vornherein auf einen sechs Monate überschreitenden Zeitraum
festgesetzt ist oder von unbestimmter Dauer, ferner unter der gleichen Voraussetzung
bei Märschen und Commandos! können gefordert werden, und zwar für die Truppen
und das Heergefolge: a) OQuartier für Officiere, Beamte und Mannschaften,
b) Stallung für die von denselben mitgebrachten Pferde, soweit für diese etats-
mäßige Rationen gewährt werden, c) das erforderliche Gelaß für Geschäfts-, Arrest-
und Wachtlokalitäten. Der Umfang der Leistungen wird durch ein Regulativ, die
dafür vom Reiche zu gewährende Entschädigung durch einen Tarif und durch
die Klasseneintheilung der Orte bestimmt. Vom Jahre 1872 ab unterliegen Tarif
und Klasseneintheilung einer allgemeinen, alle fünf Jahre zu wiederholenden
Revision. Das Regulativ wie der Tarif und die Klasseneintheilung sind als
Reichsgesetze festgestellt und publicirt und können daher nur wie Reichsgesetze auf-
gehoben und abgeändert werden. Jedoch ist durch § 20 des Quartierleistungs-
gesetzes der Kaiser ermächtigt, unter Zustimmung des Bundesraths bei hervor-
tretendem Bedürfniß die Versetzung einzelner Orte aus einer niederen Servisklasse
in eine höhere anzuordnen 2. Ob, wie viel und welche Truppen und wie lange an
einem bestimmten Orte unterzubringen find, ist durch die Reichsverfassung dem
Kaiser? bezw. dem Könige von Bayern überlassen. Das Ouartierbedürfniß besteht
(nach § 1 des Regulativs) für Feldwebel in einer Stube von ungefähr 225 Quadrat-
fuß, Degenfähnriche u. s. w. von 150 bis 180, Unterofficiere u. s. w. mindestens
180 für je zwei und für alle übrigen Chargen (Gemeine) in Schlafkammern.
Die Schlafkammern müssen mit verputzten oder dicht schließenden Wänden und
Decken, einer ordnungsmäßigen Dielung, mit Fenstern, die geöffnet und geschlossen
werden können, trocken und gegen Einfluß der Witterung gesichert sein. In Schlaf-
kammern muß für jeden Mann ein körperlicher Raum von 420 Kubikfuß ver-
bleiben. Vom QOuartiergeber ist im Nothfalle zu beschaffen und zu gewähren:
a) für jede Person eine Bettstelle nebst Stroh, Unterbett oder Matratze, Kopfkifsen,
Betttuch und einer ausreichend wärmenden Decke mit Ueberzug oder ein Deckbett;
b) für jede Person ein Handtuch; c) für jede Stube — und in Kammern für je
4 Personen — ein Tisch von 3 bis 4 Fuß Länge, 2 bis 3 Fuß Breite, mit Ver-
schluß, ein Schrank oder eine verdeckte Vorrichtung zum Aufhängen der Montirungs-
und Ausrüstungsstücke und der Waffen, zwei Stühle und zwei Schemel, in den
Gemeingquartieren für jede Person ein Schemel; d) das nöthige Wasch- und Trink-
gefäß; e) Benutzung des Kochfeuers und der Koch-, Eß= und Waschgeräthe des
Ouartiergebers. Das Stroh in den Lagerstätten ist nach Ablauf von zwei Monaten
zu erneuern, der Wechsel der Handtücher erfolgt wöchentlich, der Bettwäsche bei
jedem Ouartierwechsel und spätestens allmonatlich, die Reinigung der wollenen
Decken nach Bedarf, mindestens jährlich einmal. Für Dienstpferde (für andere darf
überhaupt kein Ouartier gefordert werden) ist Größe und Beschaffenheit der Stallung
in § 5 des Regulativs vorgeschrieben; jeder Pferdestand soll 10 Fuß lang und
5 Fuß breit sein u. s. w. Wenn überhaupt in solchen Fällen Ouartierleistung ge-
sordert werden kann (§ 1, Ziff. 2 des Gesetzes), find den Generälen drei Zimmer
und eine Gefindestube, den Stabsofficieren zwei Zimmer und eine Gefindestube, den
Subalternofficieren ein Zimmer und ein Burschen= oder Dienergelaß zu gewähren.
Jeder Officier hat Anspruch auf angemessene Ausstattung des Zimmers (reines
Bett, Spiegel, Tisch, Stühle. Schrank, Wasch= und Trinkgeschirr), desgleichen auf
1 D. h. das Commando darf nicht von vorn- Siehe z. B. Allerhöchste Erlasse vom
berin auf längere Dauer als auf sechs Monate 26. April 1869 (B.-G.-Bl. 1869, S. 130) und
mmt sein (Erk. des Reichsgerichts vom vom 17. März 1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 527.
22. Februar 1883, Entsch. in Civils., Bd. VIII, 2 Siehe oben S. 409.
S. 74 ff.).