58 Zweites Buch. Angehörige und Gebiet des Deutschen Reiches.
vertretung, Rescript des Minist. des Innern vom 29. Juli 1848 und 10. Juli
1844, Minist.-Bl. für die ges. innere Verwaltung 1843, S. 211, 1844, S. 229),
„beziehungsweise den Armenverband desjenigen Ortes, wo der Aufzunehmende sich
niederlassen will, in Beziehung auf die Erfordernisse unter 2, 3 und 4 mit ihrer
Erklärung zu hören."“ Die Gemeinden können sich zugleich über die Vortheile oder
Nachtheile äußern, welche sie von der Niederlassung der Ausländer erwarten. Wie
viel die höhere Verwaltungsbehörde auf die Aeußerung der Gemeinde geben will,
steht in ihrem Ermessen. Von diesem hängt es ab, ob sie selbst beim Vorhanden-
sein aller gesetzlichen Voraussetzungen mit oder entgegen der Gemeinde die Naturali-
sation versagt. Ein formelles Rechtsmittel gegen die Entscheidung steht weder der
Gemeinde, noch dem zu, der die Naturalisation nachsucht.
In den deutschen Schutzgebieten können Ausländer, welche sich dort
niederlassen, sowie Eingeborene von dem Reichskanzler naturalisirt werden. Diese
Befugniß kann der Reichskanzler einem anderen kaiserlichen Beamten übertragen
(Gesetz, betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. März 1888, R.-G.-Bl. 1888, S. 75). Esist dies
eine Reichs= ohne Landesangehörigkeit. Auf dieses Verhältniß der
Reichsangehörigkeit finden die Bestimmungen des Gesetzes vom 1. Juni 1870,
Artikel 3 der Reichsverfassung und § 4 des Wahlgesetzes für den deutschen Reichs-
tag entsprechende Anwendung.
Die Aufnahme wie die Naturalisation sollen nach der Vorschrift des Gesetzes
vom 1. Juni 1870 von der höheren Verwaltungsbehörde, also einer Be-
hörde, die noch andere Staatsverwaltungsbehörden unter sich hat, ertheilt werden
(in Preußen von den Regierungspräsidenten, in Bayern von den Kreisregierungen,
in Sachsen von den Kreishauptmannschaften u. s. w.).
Sowohl die Aufnahme, wie die Naturalisation sind Acte der staatlichen Hoheit,
Verfügungen der Staatsregierung; ebenso Erk. des Oberverwaltungsgerichts vom
23. Juni 1886, Entsch. Bd. XIII, S. 414, und vom 1. Juni 1894, Entsch.
BDd. XXIX, S. 413. G. Meyer, Staatsrecht, §376, Zorn, Staatsrecht, I, S. 357,
O. Mayer im Acch. f. öffentliches Recht, Bd. III, S. 46 ff., Laband, Staats-
recht, I, S. 148 f., v. Seydel, Bayerisches Staatsrecht, I, S. 528, Rehm in
Hirth's Annalen 1885, S. 118 ff., Löning, Verwaltungsrecht, S. 246, u. A.
erblicken darin zweiseitige Verträge. Letztere Ansicht eingehend zu widerlegen,
erübrigt sich schon daraus, daß es sich um eine praktisch fast unerhebliche Frage
handelt. Aber wenn Laband fragt, was zum Begriffe eines Vertrages Anderes
gehöre als der Consens zur Begründung eines Rechtsverhältnisses, so ist zu be-
merken, daß dann auch ein gerichtliches Urtheil oder eine Gewerbeconcession zwischen
dem übereinstimmenden Gericht und der Partei oder zwischen der concessionirenden
Behörde und dem Concessionssucher Verträge wären. Die Staatsregierung ent-
scheidet über Anträge, fie schließt keine Verträge. Die Analogien mit der
Post, Eisenbahn und der Reichsbank passen nicht.
Aufnahme wie Naturalisation dürfen weder auf Zeit noch unter Bedingungen
ertheilt werden (vgl. auch Erk. des Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 1886
und 1. Juni 1894, Entsch. Bd. XIII S. 408 ff., und Bd. XXIX, S. 410 ff.).
Ihre Ertheilung und Zufertigung schließen jede fernere Prüfung aus, ob die gesetz-
lichen Voraussetzungen erfüllt waren; sie können daher auch, wenn sich die Behörde,
welche sie aufstellte, in der Annahme über die Voraussetzuugen geirrt oder ver-
sehentlich die Gemeinde vorher nicht gehört hat, nicht mehr zurückgenommen
werden, wie dies die vorcitirten Erkenntnisse des Oberverwaltungsgerichts vom
23. Juni 1886 und 1. Juni 1894 des Näheren zutreffend ausführen.
Stillschweigend erfolgen Aufnahme wie Naturalisation durch die Be-
stallung als Beamter; § 9, Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 bestimmt:
„Eine von der Regierung oder von einer Central= oder höheren Ver-
waltungsbehörde eines Bundesstaates vollzogene oder bestätigte Bestallung
für einen in den unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst oder in den
Kirchen-, Schul- oder Communaldienst ausgenommenen Ausländer oder An-
gehörigen eines anderen Bundesstaates vertritt die Stelle der Naturalisations-=