688 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehärden.
braucht, wenn ein Gesetz eine Behörde, deren Wirkungskreis und Denjenigen, der
fie bestellen soll, vorgeschrieben hat, die Ausführung einer solchen Vorschrift nicht
wieder in der Form des Gesetzes zu erfolgen. Wenn die Bundesverfassung die
Einsetzung eines Bundeskanzlers bestimmte und die Ernennung desselben dem
Bundespräsidium überließ (Art. 15), so ist anzunehmen, daß das letztere auch er-
mächtigt sein sollte, das Bundeskanzleramt in das Leben zu rufen und dessen innere
Organisation zu bestimmen, mit der Maßgabe, daß einmal rechtlich und nach außen der
Kanzler für die Anordnungen des Kanzleramtes (Reichsamt des Innern) der einzig
Verantwortliche bleibt, und daß ferner die dem Kanzler zugewiesenen Befugnisse
nicht über die ihm in der Verfassung oder in späteren Gesetzen ertheilten hinaus-
gehen. So rechtfertigen sich auf Grund Art. 15 der Reichsverfassung z. B. der
Allerhöchste Präfdial-Erlah, vom 12. August 1867, betreffend die Errichtung des
Bundeskanzler-Amtes (B.-G.-Bl. 1867, S. 29), und der Allerhöchste Erloßs vom
12. Mai 1871, betreffend die Abänderung der bisherigen Bezeichnung „Bundes-
kanzler-Amt"“ in „Reichskanzler-Amt“ (R.-G.-Bl. 1871, S. 102), und der Aller-
höchste Erlaß, betreffend die Benennung des Reichskanzler-Amts und den Titel des
Vorstandes dieser Behörde, vom 24. Dezember 1879 (R.-G.-Bl. 1879, S. 321),
betreffend die Abänderung der bisherigen Bezeichnung „Reichskanzler-Amt“ in
„Reichsamt des Innern“; so rechtfertigen sich ferner auf Grund Art. 50 der Reichs-
verfassung der Allerhöchste Präfidial-Erlaß vom 18. Dezember 1867, betreffend die Ver-
waltung des Post und Telegraphenwesens des Norddeutschen Bundes vom 1. Januar
1868 ab (B.-G.-Bl. 1867, S. 328), die Kaiserliche Verordnung, betreffend die Ver-
waltung des Post= und Telegraphenwesens, vom 22. Dezember 1875 (R.-G.-Bl.
1875, S. 379) und die zahlreichen Präsidial= und Kaiserlichen Verordnungen, be-
treffend Einrichtung, Veränderung und Aufhebung von Ober-Postdirectionen, obwohl
eine ausdrückliche Ermächtigung, z. B. Ober-Postdirectionen einzurichten, nirgends
ausgesprochen ist; so rechtfertigen gsch endlich auf Grund Art. 53 der Reichsverfassung
der Allerhöchste Erlaß vom 15. Juni 1871, betreffend die Geschäftsführung der
oberen Marinebehörden (R.-G.-Bl. 1871, S. 272) und der Erlaß, betreffend das
oberste Militärgericht für Marinesachen, vom 23. Mai 1876 (R.-G.-Bl. 1876, S. 165).
Sind dagegen die Einsetzung einer Behörde und der Umfang ihrer Zuständig-
keit in einem Gesetze normirt, es ist aber nicht angegeben die nähere Einrich-
tung derselben, noch wer dieselbe vorzunehmen hat, so ist nach Art. 7, Ziff. 2
der Reichsverfaffung der Bundesrath das hierzu zuständige Organ. Hierauf
gründet sich z. B., daß der Bundesrath die Dienstanweisung, betreffend die Ein-
ziehung und Berechnung der für die Geschäfte des Reichsgerichts in Ansatz zu
bringenden Kosten, vom 21. Juni 1879 erlassen hat (Reichs-Centralbl. 1879, S. 473).
Da nur auf Grund Reichsgesetzes, d. h. nur unter Zustimmung des Bundes-
raths und des Reichstages, Ausgaben vom Reiche geleistet werden dürfen?, so ist
gewiß, daß ohne Genehmigung von Bundesrath und Reichstag neue Reichsämter,
die Ausgaben erfordern, „mit Fonds“ nicht errichtet werden dürfen 3, — und nicht
blos dies, sondern auch, daß neue, mit Kosten verknüpfte Stellen selbst an den
reichsgesetzlich oder sogar reichsverfassungsmäßig bestehenden Reichsbehörden nur mit
Genehmigung von Bundesrath und Reichstag geschaffen und daß selbst die Um-
änderung jeder solchen Stelle in eine höher dotirte dieser Genehmigung bedarf.
Wenn aber ohne Genehmigung von Bundesrath und Reichstag, ohne Etats-
gesetz, keine Ausgaben für Behörden oder Beamte geleistet werden dürfen, so ist
die Annahme", daß eine Behörde auf dem Etatsgesetz beruhe, gleichwohl als un-
Kommission, Goös betreffem 1e Errichtung lung, Sn# 4 6# Keichsverfaf be
eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, r er Reichsderfa ferner oben
vom 12. Juni 1869 (B.-G.-Bl. 1869, S. 201,8 43 *çPR)
Reichsoberhandelsgericht), Gesetz, betreffend die 3 Oben n g 48, des Reichstages
Errichtung eines Reichs-Eisenbahn-Amtes, vom 1874, II. Session, Nr. 9, La and, Reichsstaatz-
27. Juni 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 164). recht, I. § 39. S. 328, Anm. 2
1 S. auch Verhandlungen des verfassungs- Diese Annahme vertrelen Laband, I,
berathenden Reichstages 1882, S. 375 ff., undS. 329, Zorn u. A. m.
dagegen Hänel, Die organisatorische Entwicke-