8 59. Die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten. 649
der Theorie wie in der Praxis streitig. Eine solche Haftung nehmen an:
A. Zachariä, Ueber die Haftungsverbindlichkeit des Staates aus rechtswidrigen
Handlungen und Unterlassungen seiner Beamten, in der Zeitschrift für die gesammte
Staatswissenschaft, Bd. XIX, S. 582 ff., v. Gerber, § 63, S. 213, Gierke,
Genossenschaftstheorie und Rechtsprechung, S. 759 ff., 794 ff., Gierke, Deutsches
Privatrecht, Bd. 1, S. 476, Stobbe-Lehmann, Handbuch des deutschen Privat-
rechts, Bd. III, § 201, u. A. m. Dagegen wird eine solche Haftung nur für die
Fälle, in denen sie durch Specialgesetze vorgesehen ist!, u. A. von Folgenden zu-
gestanden: E. Löning, Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen
seiner Beamten nach deutschem Privat= und Staatsrecht, Frankfurt a. M. 1879,
und Zur Frage der Beamtenhaftpflicht, in den Blättern für administrative Praxis,
Bd. XXXIII. S. 33, Cosack, in Marquardsen's Handbuch, S. 47, Rehm, in
v. Stengel's Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts, Ergänzungsband III,
S. 97. Für Preußen trafen 9§§ 90 bis 97, Theil II, Tit. 17 des Allgemeinen
Landrechts Bestimmungen über die Haftung des Gerichtsherrn bei Eingriffen in die
Rechtspflege, culpa in eligendo u. s. w. Diese sind mit der Privat= und Patrimonial=
gerichtsbarkeit ausgehoben. Nach der in der Theorie und Praxis herrschenden An-
sicht haftet der preußische Staat nicht für Verschulden seiner Beamten ?, gleichviel,
ob der Schadensersatz fordernde Privatmann zum Gehorsam verpflichtet war? oder nicht.
In Rechtsstreitigkeiten über Vermögensansprüche gegen Reichsbeamte wegen
Ueberschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder pflichtwidriger Unterlassung von
Amtshandlungen ist nach §* 154 des Reichsbeamtengesetzes sowohl dasjenige Gericht
zuständig, in dessen Bezirk der Beamte zur Zeit der Verletzung seiner Amtspflicht
seinen Wohnsitz hatte, als dasjenige, in dessen Bezirk derselbe zur Zeit der Er-
hebung der Klage seinen Wohnsitz hat. Gegen das Urtheil erster Instanz“ steht
den Parteien (§ 152) dasjenige Rechtsmittel zu, welches bei Beschwerdegegen ständen
von höchstem Werthe stattfindet. Auch die Anfechtung der Urtheile zweiter Instanz
(durch Revision) ist ohne Rücksicht auf die Beschwerdesumme statthaft. Das Reichs-
gericht entscheidet auch für Bayern an Stelle des für das Gebiet, in welchem die
Sache in erster Instanz anhängig geworden ist, nach den Landesgesetzen bestehenden
obersten Gerichtshofes, und zwar in letzter Instanz.
Diese proceßrechtlichen Vorschriften sind durch die Civilprozeßordnung nicht
berührt worden (§ 13 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung). Es ist
fraglich, ob der § 154 des Reichsbeamtengesetzes auch die Fälle mit umfaßt, in
denen der Beamte innerhalb seiner amtlichen Befugnisse, also ohne Verletzung des
Gesetzes, aber mit Verletzung der erforderlichen Sorgfalt gehandelt hat. Diese
Frage ist zu bejahen, weil die Worte „Ueberschreitung ihrer amtlichen Befugnisse“
alle Fälle umfassen, in denen der Beamte durch pflichtwidriges Handeln einen
Schaden zufügt .
Versetzung in ein anderes Amt und Versetzung in den Ruhestand.
Jeder (nicht richterliche s) unmittelbare oder mittelbare Reichsbeamte muß
(§ 23 des Reichsbeamtengesetzes) die Versetzung in ein anderes Amt von nicht
1 Z. B. für Versehen der Grundbuchrichter
nach der deutschen Grundbuchordnun vom
24. März 1897 (R.-G.-Bl. 1898, 54) in
der Fassung der Bekanmtmachung 3 Textes
vom 17. Mai 1898, 5 1
2 Entsch. des Nac1 in Civils., Bd. XI,
S. 206, Bd. XXXIXN, S. 183, Förster-Ec-
cius, Preußisches Privatrecht" § 90, Zorn-S
v. Rönne, Preuß. Staatsrecht (5. Aufl.), Bd. 1,
§ 46, S. 597, Dernburg, Preußisches Privat-
recht,
nr diesem Falle ist u. A. nach G. Meyer,
Staater., § 149, eine Haftpflicht des —
vorhanden.
* Dies ist stets das Landgericht, f. § 70,
Abs. 2, Nr. 1 des Gerichtsverfaseungsgesches und
Mote dazu. Hucfsachen des Reichst. 1874/75,
Nr. 4, S. 20, § 20 A
v Erk. des Neichsger. vom 22. Februar
1883 in Gruchot's Beiträgen, Bd. XXVIII,
S. 463, Struckmann und Koch, Comm. zur
Eidilprozehordnung (zu § 70 des Gerichtsver-
fassungsgesetzes u. A. m.; anderer Ansicht
Laband, 1, § 48.
* S. oben S. 640.