8 59. Die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten. 651
Uebereinstimmung den Willen der Staatsregierung ausführen. Ja, es genügt zur
Zurdispositionsstellung, daß man mit einem anderen Beamten lieber arbeiten will.
Solche ad nutum des Kaisers bezw. der Reichsregierung stehende Beamte sind: der
Reichskanzler, der Staatssekretär des Innern, der Staatssekretär des Reichsmarine-
amts, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, der Staatssekretär des Reichspost-
amtes, des Reichsschatzamtes, des Reichsjustizamtes, die Directoren und Abtheilungs-
chefs im Reichsamt des Innern, Reichspostamt, Reichsschatzamt und Reichsjustizamt,
sowie im Auswärtigen Amte und in den Ministerien, der Präfident des Reichs-
eisenbahnamtes?, die vortragenden Räthe und Hülfsarbeiter im Auswärtigen Amte,
die diplomatischen Agenten (Botschafter, Gesandte, Ministerresidenten und Geschäfts-
träger) einschließlich der Konsuln — allerdings nur der Berufskonsuln s —, die
Militär= und Marine-Intendanten, ferner nach § 150 des Gerichtsverfassungsgesetzes
der Oberreichsanwalt und die Reichsanwälte, endlich nach Art. 4 des Gesetzes, be-
treffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutzgebieten, vom
9. August 1896 (R.-G.-Bl. 1896, S. 691) die Gouverneure, Kanzler und Landes-
hauptleute, sowie in Deutsch-Ostafrika der Abtheilungschef für die Finanzverwaltung
und der Oberrichter.
Die einstweilig in den Ruhestand versetzten Beamten (8§ 24 bis 31 des
Reichsbeamtengesetzes), sog. Wartegeldempfänger, stehen zwischen den activen und
den endgültig in den Ruhestand versetzten (pensionirten) Beamten. Sie find nach
wie vor zur Amtsführung verpflichtet, wenn dies von ihnen erfordert wird; ihre
Wiedereinberufung ist keine Neuanstellung, sondern nur Versetzung in ein anderes
Amt; sie müssen daher jederzeit über sich verfügen lassen und können ebenso wie
active Beamte freiwillig oder zwangsweise in den endgültigen Ruhestand versetzt,
sie können ebenso wie diese im Wege des Disciplinarverfahrens aus dem Amte
entfernt werden. Die einstweilige Versetzung in den Ruhestand ist lediglich eine
Maßnahme im Intereffe des Dienstes, keine Strafe, unter Umständen sogar eine
Maßnahme im Interesse des Beamten, dem man nicht zumuthen will, einer ihm
unsympathischen Regierung zu dienen, ihm unsympathische, seinen Meinungen und
Neigungen widersprechende Dienstaufträge auszuführen". So frei wie der Kaiser
in der Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers und der Minister ist, ebenso
frei ist er bei der Zurdispofitionsstellung der diesen insoweit gleichgestellten Be-
amten. Die Immunität der Abgeordneten steht dem Rechte des Kaisers nicht ent-
gegen. Beamte (Kanzler, Minister, Staatssekretäre u. s. w.), die bei ihrer parla-
mentarischen Thätigkeit nicht im Sinne des Kaisers thätig find, wird dieser am
allerersten zur Dispofition stellen dürfen und müssen.
Das Wartegeld beträgt bei Jahresgehältern von 450 Mark an drei Viertheile
des Gehaltes (§ 26), jedoch nie weniger als 450 Mark und nie mehr als 9000 Mark
(§ 26). Die Zahlung des Wartegeldes an Stelle des bisher bezogenen Gehaltes
beginnt mit dem Ablaufe des Vierteljahres, welches auf den Monat folgt, in
welchem dem Beamten die Entscheidung über seine einstweilige Versetzung in den
Ruhestand bekannt gemacht ist (§ 27). Bis dahin bezieht er also noch sein volles
Gehalt; doch fallen bereits vom Tage der Geschäftsaufgabe die Bezüge fort, welche
lediglich Amtszwecken dienen, also z. B. die Entschädigungen für Dienstaufwand
und Repräsentation .
Der Wartegeldempfänger ist bei Verlust des Wartegeldes zur Annahme eines
ihm übertragenen Reichsamtes, welches seiner Berufsbildung entspricht, unter den-
selben Voraussetzungen verpflichtet, unter denen nach § 28“ ein Reichsbeamter die
Versetzung in ein anderes Amt sich gefallen lassen muß (§ 28). Auf eine in der
Zwischenzeit etwa gefundene amtliche oder außeramtliche Beschäftigung ist bei der
1 Laband, I. 5§ 41,51, Pieper, S. 109 f.]jedoch keine Wartegelder zu beanspruchen.
2 §2, Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Er- * Val. Arndt, in der Deutschen Juristen-
richtung eines Reichs-Eisenbahn-Amtes, vom Zeitung 1899. ç
27. Juni 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 164). 5 Erk. des Reichs-Oberhandelsgerichts vom
2 Drucksachen Nr. 9, S. 61. Die Wahl- 16. Februar 1877, Entsch. Bd. XXI, S. 378.
konfuln fallen nicht unter diese Vorschrift; sie * S. oben S. 649 f.
können zwar jederzeit abgesetzt werden, haben