Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 59. Die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten. 659 
Vorläufige Dienstenthebung. 
In gewissen Fällen muß oder kann eine vorläufige Dienstenthebung (Sus- 
pension) eintreten. Dies ist keine Strafe, sondern nur eine durch das Interesse des 
Dienstes gebotene interimistische Maßregel, welche nicht das Amt und nur dessen 
Ausübung entzieht 1. 
Diese Suspension tritt kraft des Gesetzes ein (§ 125), wenn im gericht- 
lichen Straf-(nicht Civil-) Verfahren seine Verhaftung (d. i. die Untersuchungshaft) 
beschlossen? oder gegen ihn ein noch nicht rechtskräftig gewordenes Urtheil erlassen 
ist, welches den Verlust des Amtes kraft des Gesetzes nach sich zieht. In diesem 
Falle dauert die Suspenfion (§ 126) bis zum Ablauf des zehnten Tages nach 
Wiederaufhebung des Verhaftungsbeschlusses oder nach eingetretener Rechtskraft des- 
jenigen Urtheils höherer Instanz, durch welches der Beamte zu einer anderen Strafe 
als der bezeichneten verurtheilt wird. Die zehntägige Frist dient dazu, „Zeit zu 
einer Entschließung zu lassen, ob nicht das Disciplinarverfahren einzuleiten und die 
Suspension zu verfügen sei“ 5. Als Wiederaufhebung des Haftbeschlusses gilt die 
Freilassung gegen Caution nicht. Wird der Beamte in der höheren Instanz frei- 
gesprochen, so entfällt die mit dem verurtheilenden Vorerkenntnisse verbundene 
Suspension mit ihren Folgen. Lautet das rechtskräftige Urtheil auf Freiheits- 
strafe, so dauert die auf Grund des Gesetzes eingetreten gewesene" Suspension, bis 
das Urtheil vollstreckt ist. 
Kraft des Gesetzes tritt die Suspenfion ferner ein (§ 125, Ziff. 2), wenn im 
Disciplinarverfahren eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, welche 
auf Dienstentlassung lautet. In diesem Falle dauert fie nach § 126, Abs. 2 bis 
“ Rechtskraft der in der Disciplinarsache als Disciplinarmaßregel ergehenden Ent- 
scheidung. 
* oberste Reichsbehörde kann (§ 127) die Suspension, sobald gegen den 
Beamten ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet oder die Einleitung eines förm- 
lichen Disciplinarverfahrens verfügt wird, oder auch demnächst im Laufe des einen 
oder anderen Verfahrens bis zur rechtskräfti en Entscheidung verfügen. Gegen biese 
Verfügung steht der Rechtsweg nicht offen 63 155). 
Während der Suspension wird vom Ablaufe des Monats ab, in welchem fie 
eintritt, die Hälfte seines pensionsfähigen Diensteinkommens innebehalten (§ 128). 
Darüber, daß diese Grenze innegehalten ist, steht der Rechtsweg offen 5. Die 
oberste Reichsbehörde kann die Innebehaltung auf den vierten Theil beschränken. 
Der innebehaltene Theil ist zu den Kosten, welche durch die Stellvertretung und 
die Auslagen des Disciplinarverfahrens verursacht werden, zu verwenden. Ein 
weiterer Beitrag ist zu den Stellvertretungskosten nicht zu leisten, wohl aber zu 
den Auslagen, wenn diese durch den innebehaltenen Theil nicht gedeckt sind. Der 
zu den Stellvertretungskosten und Auslagen nicht verwendete Theil des inne- 
behaltenen Betrages ist dem Beamten, auch wenn er aus dem Anmte entfernt ist, 
nachzuzahlen. Der Beamte kann über die Verwendung einen Nachweis erfordern; 
doch können Erinnerungen gegen die Verwendung im Rechtswege nicht geltend ge- 
macht werden (§5 129). Wird der Beamte im Straf= oder Disciplinarverfahren 
freigesprochen 0, oder ist ein förmliches Disciplinarverfahren gegen ihn überhaupt 
nicht eingeleitet worden, so muß ihm der innebehaltene Theil des Diensteinkommens 
vollständig (ohne Rücksicht auf die Untersuchungskosten wie auf seine Stellvertretung 
und Stellvertretungskosten) nachgezahlt werden. Wird er im Wege des ordent- 
lichen Disciplinarverfahrens mit einer Ordnungsstrafe belegt, so ist ihm der inne- 
behaltene Theil insoweit nachzuzahlen, als er nicht zur Deckung der ihm durch 
  
1 Motive S. 77. S. 854. 
: Der Beschluß genügt richt, auf dessen Voll- 5 Vgl. preuß. Just.-Min.-Bl. 1855, S. 145, 
streckun rp kommt es nicht und Min.-Bl. für die ges. innere Verwaltung 
otive S. 77. 1855, S. 134. 
4 Siche tihiS Erk. des Reichsgerichts vom % Byl. Erk. des Zeichsger vom 22. Okt. 1888, 
1. Febr. 1882 in Gruchot's Beiträgen, Bd. XXX.Entsch. in Civils., Bd II, S. 40. 
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