Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 14. Berlust der Staats= und Reichsangehörigkeit. 61 
„Die Entlassung eines Staatsangehörigen, der unter elterlicher Gewalt 
oder Vormundschaft steht, kann von dem gesetzlichen Vertreter nur mit Ge- 
nehmigung des Vormundschaftsgerichts beantragt werden. 
Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist nicht erforderlich, wenn 
der Vater oder die Mutter die Entlassung für sich und zugleich kraft elterlicher 
Gewalt für ein Kind beantragt. Erstreckt sich der Wirkungskreis eines der 
Mutter bestellten Beistandes auf die Sorge für die Person des Kindes, so 
bedarf die Mutter in einem solchen Falle der Genehmigung des Beistandes 
zu dem Antrag auf Entlassung des Kindes.“ 
Die Entlassung des um sie Nachsuchenden erfolgt durch die von der höheren 
Verwaltungsbehörde seines Heimathsstaates ausgestellte Entlassungsurkunde. Für 
die Zuständigkeit ist der Wohnort des die Entlassung Beantragenden entscheidend. 
In Preußen gilt als höhere Verwaltungsbehörde der Regierungspräfident (Zu- 
ständigkeitsgesetz vom 1. August 1883, G.-S. S. 237, § 155, Abs. 1), in Bayern 
und Württemberg die Kreisregierung, in Sachsen die Kreishauptmannschaft 
u. s. w. (s. Cahn, S. 45 ff.). In den deutschen Schutzgebieten wird diese Ur- 
kunde durch den Reichskanzler oder eine von ihm bestellte Behörde ausgestellt (val. 
§ 6. Abs. 1 des Gesetzes betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete in 
der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1888 (R.-G.-Bl. 1888, S. 75). 
Bei der Entlassung wird unterschieden, ob der um die Entlassung Nachsuchende 
Reichsangehöriger bleibt oder nicht. Ist Ersteres erweislich der Fall, d. h. weist 
der zu Entlassende nach, daß er die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundes- 
staate erworben hat oder daß er eine solche schon besitzt (Arndt, Comm. zur 
Reichsverfassung, S. 318, Anm. 5, Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 146, 
147, Anm. 6. G. Meyer, Staatsrecht, § 77, S. 200, Anm. 5), so muß ihm 
die Entlassung unbedingt und kostenlos, ohne Rücksicht auf Militär= und Wehr- 
verhältnisse, ertheilt werden. Kann der die Entlassung Nachsuchende diesen Nach- 
weis nicht führen, so darf sie in drei durch das Gesetz vom 1. Juni 1870 auf- 
geführten Fällen nicht ertheilt werden. Wird fie trotzdem ertheilt, so ist sie nicht 
ungültig (Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 187, Anm. 2); denn die Ent- 
lassung ist ebenso wie die Aufnahme oder die Naturalisation ein Formalact, 
der definitiv den Eintritt des neuen status nach außen hin constatirt (Gründe zum 
Erk. des Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 1886, Entsch. Bd. XIII, S. 417). 
Diese Fälle betreffen erstlich Wehrpflichtige, und dies sind alle Deutsche (Art. 57 
der Reichsverfassung), soweit nicht in § 1 des Gesetzes betr. die Verpflichtung zum 
Kriegsdienste vom 9. November 1867 (B.-G.-Bl. S. 131) Ausnahmen gemacht 
sind, welche sich im Alter vom vollendeten fiebzehnten bis zum vollendeten fünf- 
undzwanzigsten Lebensjahre befinden, bevor fie ein Zeugniß der Ersatzkommission 
(Reichs-Militärgesetz vom 2. Mai 1874, R.-G.-Bl. 1874, S. 45, §5 30, Nr. Sa, 
und Wehrordnung vom 22. November 1888, Centralblatt für das Deutsche Reich 
1889, S. 1, § 27) darüber beigebracht haben, daß sie die Entlassung nicht bloß 
in der Absicht nachsuchen, um sich der Dienstpflicht im stehenden Heere oder in der 
Flotte zu entziehen. Solchen, welche das siebzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet 
haben, kann wegen der Militärverhältnisse die Entlassung nicht vorenthalten 
werden; sie werden, wenn sie als Ausländer zurückkehren, indeß die Ausweisung 
aus dem Reichsgebiete zu gewärtigen haben. Personen zwischen fiebzehn und fünf- 
undzwanzig Jahren, über deren Wehrpflicht bereits dahin Entscheidung getroffen 
ist, daß sie Ganzinvaliden oder dauernd untauglich find, fallen überhaupt nicht 
unter diese Bestimmung (vgl. auch Cahn, S. 135, Arndt, Comm., S. 119, 
G. Meyer, § 77, Seydel in Hirth's Annalen 1881, S. 67, 68). Ist die 
Entscheidung dahin ergangen, daß die zwischen siebzehn und fünfundzwanzig 
Jahren stehenden Personen Ersatzreservisten sind, so gelten die für Ersatzreservisten 
maßgebenden Vorschriften. Sind solche Personen zur Fahne einberufen oder 
  
24*„2 Die Zeugnisse der Ersatzkommissionen unter= (Erk. des Oberverwaltungsgerichts v. 29. October 
liegen bezüglich der sachlichen Begründung nicht 1887, Entsch. Bd. XV, S. 410). 
der Nachprüfung seitens des Verwaltungsgerichts
	        
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