Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

678 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden. 
Lasker!: „Anträge im Interesse der Erweiterung einer unitarischen Herrschaft, 
der Erweiterung des präfidialen Einflusses der preußischen Monarchie können doch 
nur zwei Voraussetzungen haben. Entweder sind Sie der Meinung, daß wir — 
die preußische Regierung — nicht in der Lage oder nicht fähig gewesen find, das 
richtige Maß Dessen, was wir erstreben können, erstreben dürfen, erreichen können, 
zu beurtheilen . oder Sie halten uns für schüchterne, verlegene Leute, die er- 
muthigt werden müssen, denen man eine douce violence anthun müsse, damit sie 
sich entschließen, Das zu fordern, was sie im Grunde ihres Herzens eigentlich selbst 
wünschen. Ich kann Ihnen auf das Bestimmteste erklären, daß dem nicht so ist. 
Wir haben uns die Grenze unserer Ansprüche an die Opfer, die von den übrigen 
Regierungen zu bringen wären, darin gestellt — in Dem, was unentbehrlich 
schien zur Führung eines nationalen Gemeinwesens. Dies glauben wir erreicht zu 
haben, wir glauben, daß die Mittel dazu ausreichen. Der Vorredner (v. Ben- 
nigsen) hat nun gesagt, daß sein Amendement die Befugnisse der Preußen ver- 
bündeten Regierungen nicht beeinträchtige und nicht beeinträchtigen könne. Zuerst 
muß ich zu erwägen geben, daß darüber diese Regierungen selbst die besten Richter 
sind, zweitens, daß man ihnen, wenn sie eine Berücksichtigung finden, doch nicht 
überzeugend widersprechen kann. Sie schaffen eine den Ministerien und 
höchsten Regierungen der einzelnen Bundesländer vorgesetzte Spitze 
und Behörde außerhalb des Bundesraths. Innerhalb des Bundesraths 
findet die Souveränetät einer jeden Regierung ihren unbestrittenen Ausdruck. Dort 
hat jede ihren Antheil an der Ernennung des gewissermaßen gemeinschaftlichen 
Ministeriums, welches, neben anderen Funktionen, auch der Bundesrath bildet. 
Dieses Gefühl der inneren letzten Souveränetät. kann nicht mehr bestehen 
neben einer contrasignirenden Bundesbehörde, die außerhab des Bundesraths aus 
preußischen oder anderen Beamten ernannt ist, und es ist und bleibt eine capitis 
deminutio für die höchsten Behörden der übrigen Regierungen, wenn sie sich als 
Organe, gehorsamleistende Organe einer vom Präsidium außerhalb des Bundesraths 
ernannten höchsten Behörde in Zukunft ansehen sollten. Glauben Sie nicht, daß 
wir die Frage nicht erwogen haben, ob die übrigen Regierungen diesen Anflug von 
einer Verminderung ihrer Souveränetät auf sich nehmen wollen? Wir haben über 
die Frage, ob die Ministerien der Einzelstaaten, namentlich die Kriegs= und 
Finanzministerien, bleiben würden, Wochen lang verhandelt.“ Die Rede schloß: 
„.Ich kann in Bezug auf das vorliegende (Amendement), dessen Tendenz mir 
vollständig klar ist und welches ich von Neuem seit gestern Gelegenheit gehabt habe, 
mit den anwesenden Bundeskommissarien zu besprechen, die Versicherung im Namen 
sämmtlicher Regierungen wiederholen, daß dieses Amendement für sie vollständig 
unannehmbar ist und es das ernsthafteste Hinderniß für das Zustandekommen der 
Verfassung bilden würde, wenn das Amendement angenommen würde und bliebe."“ 
Graf Bethusy-Hucs betonte hierauf: „Das Amendement Bennigsen bezweckt 
entweder, verantwortliche Vorstandsmitglieder im Bundesrath selbst neben dem 
Bundeskanzler einzuführen; in dem Fall wird eine Einigkeit der preußischen Ab- 
stimmung im Bundesrath vereitelt oder wenigstens zweifelhaft gemacht. Die Herren 
find entweder dem Bundeskanzler direct untergeben, dann ist ihre Verantwortlichkeit 
gleich Null, oder sie find es nicht, dann ist eine Meinungsverschiedenheit möglich. 
Die andere Alternative ist: es werden verantwortliche Vorstandsmitglieder neben 
dem Bundeskanzler außerhalb des Bundesraths constituirt; dann ist ein Reichs- 
ministerium eingeführt, welches entweder keine Bedeutung hat oder, wenn eine solche, 
in der That die Souveränetät der übrigen Staaten mehr oder minder mediatisiren 
würde.“ v. Thielau bemerkte 3 u. A.: „Ich bin nämlich der Meinung, daß der 
Bundeskanzler nichts weiter ist als ein Delegirter der königlich preußischen 
Regierung. Die Herren aus dem Bundesrath find nichts als Delegirte ihrer 
Regierungen, und als solcher steht der Bundeskanzler allen anderen Kommissarien 
  
1 Sten. Ber. S. 388. 3 Sten. Ber. S. 391. 
2 Sten. Ber. S. 388.
	        
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