Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

64 Zweites Buch. Angehörige und Gebiet des Deutschen Reiches. 
Staatsangehörigkeit sich auch auf die Ehefrau und die unter väterlicher Gewalt 
stehenden Kinder des Entlassenen mit erstreckt, ist im Gesetze für diesen Fall nicht 
vorgeschrieben und kann daher nicht angenommen werden, da eine als Strafe 
wirkende Norm ausdrücklich angeordnet sein muß (ebenso Zorn, I, S. 367 f., 
v. Sarwey, Württembergisches Staatsrecht, 1, S. 170, Anm. 5, G. Meyer, 
§ 77; anderer Ansicht Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 151, und Cahn, 
S. 149, 1). Die nach dem Indigenatsverluste geborenen Kinder find dagegen Aus- 
länder. Ein anderer Fall, in dem die Entlassung durch Ausspruch der Behörde 
statthaft ist, betrifft Deutsche, welche ohne Erlaubniß ihrer Regierung in den 
Civil= oder Militärdienst eines außerdeutschen Staates getreten find. Wenn diese 
der an sie gerichteten Aufforderung zum Austritt binnen der darin bestimmten 
Frist nicht Folge leisten, so kann ihnen durch Beschluß der Centralbehörde ihres 
Heimathsstaates die Angehörigkeit zu diesem Staate abgesprochen werden (§ 22 des 
Gesetzes vom 1. Juni 1870). Auch dieser Beschluß hat keine Wirkung auf die 
Ehefrau und die Kinder des Entlassenen. 
Es kann drittens auch durch bloßen Aufenthalt im Auslande die Staats- 
angehörigkeit verloren gehen (§ 21 des Gesetzes vom 1. Juni 1870). Im Sinne 
dieser Vorschrift gelten die Schutzgebiete als Inland (Gesetz betr. die Rechtsverhält- 
nisse der deutschen Schutzgebiete in der Fassung des Gesetzes vom 15. März 1888, 
R.-G.-Bl. S. 71, § 6). Der Aufenthalt muß ununterbrochen zehn Jahre gedauert 
haben. Die Frist wird vom Zeitpunkte des Austritts aus dem Gebiete oder Schutz- 
gebiete des Deutschen Reiches gerechnet. Besitzt der Austretende ein Reisepapier oder 
einen Heimathsschein 1, so beginnt die Frist erst mit dem Zeitpunkte des Ablaufs 
dieser Papiere. Ob der Austritt freiwillig oder gezwungen erfolgte, ist unerheblich. 
Die vorgeschriebene Frist wird unterbrochen, wenn der Ausgewanderte auch nur vorüber- 
gehend im deutschen Reichsgebiete oder in einem zum Deutschen Reiche gehörigen 
Schutzgebiete Wohnsitz nimmt. Wenn er nur vorübergehend und ohne die Ab- 
sicht der Wohnsitznahme, z. B. nur um Angehörige oder Geschäftskunden zu be- 
suchen, in das Deutsche Reich kommt, so unterbricht dies nicht die zehnjährige 
Frist (Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 154, Anm. 2, anderer Ansicht 
Cahn, S. 159, s. auch v. Sarwey, Württembergisches Staatsrecht, 1, S. 171). 
Die zehnjährige Frist wird auch durch die Eintragung in die Matrikel eines Con- 
suls des Deutschen Reiches unterbrochen; vgl. Gesetz betr. die Organisation der 
Bundesconsulate u. s. w. vom 8. November 1867, B.-G.-Bl. 1867, S. 137, § 12. 
Dagegen unterbricht die nach § 25 dieses Gesetzes erfolgte Ausstellung eines 
„Passes“ nicht die zehnjährige Verjährung. Der Lauf der zehnjährigen Frist be- 
ginnt von Neuem mit dem Tage, der auf die Löschung des Ausgewanderten in der 
Matrikel folgt. 
Der Verlust der Staatsangehörigkeit erfolgt in diesen Fällen von selbst, ohne 
Ausspruch der Behörde. „Der hiernach eingetretene Verlust der Staatsangehörig- 
keit erstreckt sich. nach dem Wortlaute in Abs. 2 des § 21 des Gesetzes vom 
1. Juni 1870 „zugleich auf die Ehefrau und die unter väterlicher Gewalt stehenden 
minderjährigen Kinder, soweit sie sich bei dem Ehemanne, beziehungsweise Vater 
befinden.“ Hierbei war zwischen den Verwaltungs-- und Gerichtsbehörden streitig, ob 
die zehnjährige Frist für Minderjährige erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit 
begann. Das Reichsgericht hat in constanter Rechtsprechung (Erk. vom 4. Februar 
und 28. November 1895, vom 5. und 16. November 1897, Entsch. in Strafsachen 
Bd. XXVII, S. 427, Bd. XXVIII, S. 24, Bd. XXX, S. 297 und S. 326) an- 
genommen, daß es für den Fall des § 21 keinen Unterschied mache, ob Jemand 
minderjährig oder sonst in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist. Artikel 41 des 
  
1 Nach dem Bundesrathsbeschlusse vom |Benutzung im Reichsauslande bestimmt, während 
3. März 1883 (vgl. Circularrescript des preuß zur Benutzung innerhalb des Reichsgebietes 
Ministers des Innern vom 15. Mai 1884 im „Staatsangehörigkeitsausweise“ auszu- 
Minist.-Bl. für die ges. innere Verwaltung 1884, stellen sind. 
S. 105) sind „Heimathsscheine"“ nur zur!
	        
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