Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

6 G. Das Gesandtschaftsrecht. 719 
Es wäre denkbar, daß das Deutsche Reich durch seine Verfassung oder durch 
anderes Reichsgesetz nach dem Beispiele der schweizerischen und der nordamerikanischen 
Verfassung den Bundesstaaten die Bestellung von Gesandten im Auslande oder die 
Annahme von fremdländischen Gesandten untersagt hätte oder doch wenigstens den 
bei ihnen beglaubigten fremdländischen Gesandten keine Exterritorialitätsrechte ein- 
räumte. Nichts hiervon ist geschehen, und daraus folgt, daß die einzelnen Bundesstaaten 
Gesandte im Auslande halten und fremdländische bei sich empfangen können. Der 
Antrag Ausfeld und Schulze, den Artikel 11 der Reichsverfassung dahin zu 
fassen, daß das Bundespräsidium ausschließlich berechtigt sei, den Bund 
völkerrechtlich zu vertreten, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse 
und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und 
zu empfangen!, wurde am 26. März 1867 vom verfassungsberathenden norddeutschen 
Reichtage abgelehnt 2. Das active und passive Gesandtschaftsrecht der deutschen Bundes- 
staaten ist daher zweifellos als feststehend anzuerkennen. Ein Anerkenntniß hierfür liefern 
auch die Abmachungen unter den Ziff. VII und VIII des bayerischen Schlußprotokolls 
vom 23. November 1870 (R.-G.-Bl. 1871, S. 23). VII: „Der Königlich Preußische 
Bevollmächtigte gab die Erklärung ab, daß der König von Preußen, kraft der 
Allerhöchstihnen zustehenden Präfidialrechte, mit Zustimmung .. des Königs von 
Bayern, den Königlich Bayerischen Gesandten an den Höfen, an welchen solche be- 
glaubigt sind, Vollmacht ertheilen werden, den Bundesgesandten in Behinderungs- 
fällen zu vertreten. — Indem diese Erklärung von den Königlich Bayerischen Bevoll- 
mächtigten acceptirt wurde, fügten diese bei, daß die Bayerischen Gesandten an- 
gewiesen sein würden, in allen Fällen, in welchen dies zur Geltendmachung 
allgemein Deutscher Interessen erforderlich oder von Nutzen sein wird, den Bundes- 
gesandten ihre Beihülfe zu leisten.“ VIII: „Der Bund übernimmt in Anbetracht 
der Leistungen der Bayerischen Regierung für den diplomatischen Dienst desselben durch 
die unter Ziffer VII erwähnte Bereitstellung ihrer Gesandtschaften und in Erwägung 
des Umstandes, daß an denjenigen Orten, an welchen Bayern eigene Gesandtschaften 
unterhalten wird, die Vertretung der Bayerischen Angelegenheiten dem Bundesgesandten 
nicht obliegt, die Verpflichtung, bei Feststellung der Ausgaben für den diplomatischen 
Dienst des Bundes der Bayerischen Regierung eine angemessene Vergütung in An- 
rechnung zu bringen. — Ueber Festsetzung der Größe dieser Vergütung bleibt weitere 
Vereinbarung vorbehalten." 
Was nun dies hier erwähnte Sonderrecht Bayerns auf Vertretung des Reichs- 
gesandten anlangt, so ergiebt sich aus dem Wortlaute und ist auch allseitig 3 an- 
erkannt, daß die Vertretung nur eintritt, wenn sich der Kaiser und der König von 
Bayern übereinstimmend darüber verständigen und der Kaiser den bayerischen Ge- 
sandten beglaubigt. Ob eine solche Vertretung voraussetzt, daß weder der Gesandte 
noch dessen Stellvertreter (Legationsräthe) die Vertretung des Reiches ausüben 
dürfen, hängt vom Ermessen der beiden Souveräne ab. Jedenfalls darf der Kaiser 
nicht etwa einen Sachsen oder Württemberger mit der Vertretung beauftragen, bevor 
er nicht dem Könige von Bayern den bayerischen Gesandten an dem fraglichen Hofe 
als Vertreter des Reichsgesandten in Vorschlag gebracht und der König seine Zu- 
stimmung versagt hat. 
Ueber die Thätigkeit der Gesandten, welche die Bundesstaaten im Auslande 
unterhalten, fehlen Vorschriften. Es ist zwar nicht verboten, aber als inhaltslos 
ausgeschlossen, daß sich diese Thätigkeit auf solche Geschäfte erstreckt, welche zur 
ausschließlichen Zuständigkeit des Reiches gehören, also namentlich Kriegs= und 
Friedensschlüsse, Allianzen, Zoll-, Handels= und Schiffahrtswesen, Post= und Tele- 
graphenwesen, Geld-, Münz-, Bank-, Maaß= und Gewichtswesen. Das Gleiche gilt 
von der Thätigkeit, welche fremdländische Gesandte bei den einzelnen deutschen 
Bundesstaaten ausüben. Würde ein hochverrätherischer Anschlag gegen Kaiser und 
Reich geplant werden, so würden nicht nur die bundesstaatlichen Beamten und 
  
1 Ducksachen des verfassungsberathenden 2 Bezold, Materialien, I, S. 723, Sten. 
norddeutschen Reichstages Nr. 23. Ber. S. 878. 
2* v. Seydel, Comm., S. 160.
	        
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